VWLer – Wenigstens kein BWL

VWLer. Das sind die Hemdenträger, die kein BWL studieren und dich immer drauf hinweisen.

Volkswirtschaftslehre – leider oft mit BWL gleichgesetzt. Ist das nicht dasselbe? Frag das lieber nicht, sonst wirst du den Größenwahn der gemeinen VWLer zu spüren bekommen. BWL ist was für einfältige Karrieristen mit Tunnelblick! VWL ist die Kunst, die Wirtschaft aus der Vogelperspektive zu beobachten. Habe ich Vogel gesagt? Nein, ich meinte Gott! Ein Gott, der den Markt mit Blitzen beschießt und exogene Modellgrößen in Wein verwandelt. Das ist VWLer-Talk. Doch was ist das für ein seltsames Völkchen, das dahintersteckt?

Zuerst einmal mögen sie keine Uwis. Die labern nämlich immer über Post-Wachstumsökonomie. „Postbank? Uhh, schlechte Renditen“ fällt VWLern dazu ein. Doch eigentlich sind sie nur neidisch, dass sie im Weltretten hinterherhinken. Danach kommen die weiblichen Kuwis. Die verstehen nämlich kein Mathe und somit auch nicht die Sprache der VWLer und deren Philosophie. Denn ökonomische Zahlenmystik ist so komplex, dass selbst Hermine Granger ein Repetitorium besuchen müsste. Was im Modul Mathe VIII nicht geschafft wird, kommt halt in Mathe IX dran. Wahrscheinlich dann beim Dozenten zuhause…

Ein VWLer beobachtet den Markt.
Selbstportrait (c) Univativ; Marktplatzbild (c) Madison Inouye from Pexels

In Sachen Statistik sind VWLer natürlich auch bewanderter als gewöhnliche Menschen und BWLer (was, zugegeben, nicht besonders schwer ist). Wie Tarotkarten legen sie, als die Intellektuellen unter den Wirtschaftswissenschaftlern, ihre magischen Datensätze und beschwören je nach Lust und Laune finstere oder goldene Konjunkturprognosen hervor, die man aufgrund des großen Anteils an hochtemperiertem Stickstoff-Sauerstoff-Gemischs ihrer Aussagen im Winter sogar sehen kann. Dabei gruppieren sie sich in Mario Barths („Keynste, keynste?“) oder Axel Schulzes („So hayek dit nich jesacht.“), ihre Götter. Oder Dämonen, wie mans nimmt. Und wenn die Welt mal, wie vorhergesagt, aufgrund zu starker Regulationen untergeht, holen sich die Nachwuchs-Ökonomen mit der unsichtbaren Hand des freien Marktes kräftig einen runter. Selbst ist der VWLer. Deswegen träumt er von den Kurven seiner Modelle auch ganz alleine.
Aber trotz der kuscheligen Wirtschaftsnähe sind VWLer nicht zwangsläufig…böse. Klar, sie sind die Sith Lords der Wirtschaft, doch hat Darth Vader nicht am Ende auch eine große Krise gelöst? In der rechten Ecke fühlen sich nicht alle VWLer wohl. Denkt mal an Rosa Luxemburg, die hatte einen Doktor in Nationalökonomie und das war die linkste Frau der Welt.
Das Kurioseste: Obwohl BWLer in den Augen der VWLer eigentlic nur Start-Up gründende Maden sind, ertappt man sie doch dabei, wie sie Betriebswirtschaftslehre als Nebenfach wählen. Man will ja schließlich nicht arbeitslos oder Politiker werden. Und ein klein wenig Mathematik in der Kaffeepause kann nicht schaden. Schließlich lehrt sie uns, dass man die Nullen nicht übersehen darf.

Jan Gooß

Hat an der Leuphana Politikwissenschaft studiert und will nicht die Welt retten. Sowas soll's ja auch geben.

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