Tierrechte

Ein Essay. Wenn 200 Gramm Haubenlerche (entspricht zwei Pärchen) einem millionenschweren Bauprojekt wie dem Lüneburger Audimax im Weg stehen, kann es in Deutschland um den Tierschutz nicht so schlecht bestellt sein. Tierschutz ist ein Thema, das immer mal wieder hochkommt. Seien es vernachlässigte Haustiere, oder das wenige Geld, mit dem Tierheime über die Runden kommen müssen. Die Tiere dort können einem echt Leid tun, wenn man daran denkt, dass sie ein trostloses Leben in Zwingern verbringen. „Es scheinen wirklich herzlose Menschen zu sein, denen solche Zustände egal sind, da müsste man doch mal was tun!“, denkt man sich, während man den Artikel dazu in der Zeitung liest und dabei in sein Wurstbrot beißt. Wirklich herzlose Menschen… Den Artikel über Geflügelbetriebe in Niedersachsen überfliegt man lieber.

Man könnte sich am Ende noch den Appetit verderben, wenn man erfährt, dass die Tiere mittlerweile von Tierärzten Schmerzmittel verordnet bekommen. Ihr Kreislauf und Knochengerüst verkraftet den – durch das Mastfutter und die Züchtung bedingten – rasanten Gewichtszuwachs nicht: Die Tiere sind chronischen Schmerzen ausgesetzt. Im Bereich der Eierproduktion werden die Hälfte aller ausgebrüteten Küken am Schlüpftag wieder getötet – zerschreddert oder mit CO2 vergast. Männliche Hühner legen schließlich keine Eier und sind auch für die Geflügelmast unbrauchbar. Hierfür werden andere, schneller Fleisch ansetzende Züchtungen verwendet. In Wietze bei Celle soll nun ein neuer, großer Geflügelschlachthof entstehen. Damit er ausgelastet ist, müssen in der Umgebung rund 150 Großmastbetriebe angesiedelt werden. Die industrielle Hähnchen-Mast mit 25 Tieren je Quadratmeter und vielen leidenden Masttieren sei den Verbrauchern nicht vorzeigbar, meint die „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“. Sie ist gegen das Projekt. Auch Anwohner Wolf-Rüdiger Ehry meint, Hühnerhaltung in Mastbetrieben sei eine „gesetzlich legitimierte Tierquälerei“ (Welt Online, 11.11.2009).

Doch 50 Prozent der bundesweiten Geflügelproduktion findet schon jetzt in niedersächsischen Großmastanlagen statt. Oben beschriebene Methoden sind der Standard. Die Liste an grausamen Mastmethoden ließe sich weiterführen. Mit Schweinen, Rindern, Kälbern. Geschöpfe, von denen man sich als Verbraucher gerne denkt „so schlimm wird’s schon nicht sein“.

Das Missverhältnis zwischen unserer Zuneigung zu Haustieren (und aufgeregten Schutz einiger Haubenlerchen) und unserer apathischen Gleichgültigkeit gegenüber den Tieren, die wir essen, ist erstaunlich. Ein Schwein z.B. ist zu so hohen kognitiven Leistungen in der Lage, dass man es erziehen kann wie einen Hund.

Außer einigen Haustieren sind Tiere allerdings im Allgemeinen Produktionseinheiten, die aus günstigem Futtermittel Fleisch machen, dass sich teuer verkaufen lässt.

Als Antwort auf diesen Zustand gibt es seit Mitte des letzten Jahrhunderts eine Bewegung, welche die Ausweitung von gewissen Grundrechten auf Tiere fordert. Es geht dabei nicht darum, Menschenaffen das Wahlrecht zu verleihen oder Sozialhilfe für streunende Hunde einzuführen. Sondern darum, die Interessen fühlender Lebewesen fair gegeneinander aufzuwiegen. Dabei steht die Präferenz der Menschen für die Ernährungsweise mit Fleisch, die weder lebensnotwendig noch gesünder ist als vegetarische Ernährung, in keinem Verhältnis zu dem Interesse der Tiere an ihrem (leidfreien) Leben.

Man könnte nun fragen „Aber wieso denn? Die ganze Menschheitsgeschichte über haben wir Tiere gegessen, das ist das Normalste der Welt!“

Die Frage zeigt die Nähe der Tierrechts- zur Menschenrechtsdebatte. Der hohe Standard an Menschenrechten in unserer Gesellschaft ist nämlich weder selbstverständlich noch sehr alt.

Um für Menschenrechte zu argumentieren, muss die Frage lauten: Was haben alle Menschen gemeinsam, dass ihnen die gleichen Grundrechte wie Würde, Recht auf freie Entfaltung sowie körperliche Unversehrtheit, zugestanden werden sollen?

Es können nicht kognitive Fähigkeiten sein, denn dann müssten wir geistig zurück gebliebenen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit versagen. Es können auch nicht Äußerlichkeiten oder eine bestimmte Machtposition sein, dann müssten wir das Verhältnis der ersten zur dritten Welt und die Überlegenheit von Menschen mit einer bestimmten Hautfarbe rechtfertigen. Das Geschlecht war lange Zeit ausschlaggebend, heute zum Glück nicht mehr.

Wir blicken auf diese Grenzen zurück, die wir einmal gezogen haben und sind erleichtert. Kämpfen, wo wir sie auf der Welt überschritten sehen. Wir empfinden die Unterschiede, die wir damals machten, als willkürlich. Wieso bei biologischen Unterschieden die Grenze ziehen, wenn es um die Entscheidung über das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit geht? Wieso bei den kognitiven Fähigkeiten? Wieso bei der Spezies?

Von Fabienne Erbacher und Steffen Riemenschneider