Modell Fernbeziehung

Machen? Lassen? – Ein kleiner Leitfaden. Heute ist nichts mehr unmöglich. Sich selbst finden, und das möglichst rund um den Globus, ist nicht nur hip, sondern auch effektiv. Und Bologna macht´s möglich. Im Ausland auf seine Grenzen treffen oder den Master in London machen – alles ist drin. Und die Beziehung, die man die letzten Jahre eingehend gepflegt hat? Kein Problem. Auch diese Hürde ist überwindbar. Skype und Co. machen die Fernbeziehung einfacher denn je. Diese Ansicht vertreten in Zeiten der Mobilität und Globalisierung einige Studierende. Doch wie leicht ist das mit der Fernbeziehung wirklich?

Generation Kosmopolit spricht gern mindestens vier verschiedene Sprachen, hat Freunde von Irland bis China und möchte alles mitgenommen und nichts verpasst haben. Was aber, wenn man sich davon löst, sich alle Chancen offen zu halten? Wenn man schlicht und unglamourös die Wohnung in Hannover der in New York vorzieht, um im Gegenzug zusammen mit dem Partner sein Leben verbringen zu können? Ihn abends beim Zähneputzen von hinten umarmen, statt ihm via Laptop vom Tag vorzuhecheln. Ein gemeinsamer Alltag für beide, mit gemeinsamem Frühstück und einer starken Schulter zum Anlehnen, wenn man eine braucht. Oder Variante Fernbeziehung: zwei Alltage nebeneinander, die es allabendlich zu vereinen gilt und nächtliche Anrufe, wenn das Bett so furchtbar leer erscheint.

Trotz dieser finsteren Gegenüberstellung ist das Modell Fernbeziehung nicht per se unmöglich oder schädlich für eine Beziehung. Manchmal ist es sogar genau das, was beide Partner an der Beziehung wachsen lässt. Was es dann braucht, ist vor allem eins: ein absehbares Ende. Zu wissen, dass eine gemeinsame Zukunft auf einen wartet, macht auch tausende von Kilometern überbrückbar. Für die emotionalen Kilometer dagegen braucht es Vertrauen oder Fatalismus zur erfolgreichen Überbrückung. Ohne Vertrauen wird die Distanz zu einer einzigen quälenden Frage. Darüber müssen sich beide im Klaren sein. Also entweder dem anderen vertrauen oder Tatsachen einfach Tatsachen sein lassen und nicht hinterfragen.

Das idiotensichere Geheimrezept zur erfolgreichen Fernbeziehung gibt es – Überraschung – leider nicht. Die Frage, ob und wie lange man Liebe auf Distanz zelebrieren will, muss sich jeder selbst stellen und am besten aus dem Bauch heraus beantworten. Rationale Pro- und Contra-Listen mögen nützlich sein, um das Für und Wider der Fernliebe abzuwägen und organisatorische Fakten zu klären, aber die verliebte Seele wird sich dafür herzlich wenig interessieren. Selbst wenn so Vieles dagegen spricht, wenn der Herzallerliebste ein schnittiger Typ mit jeder Menge Charme ist und gefühlt „doch jede haben kann da drüben in weit, weit weg“ oder Skype einfach kein philosophisch wertvolles Gespräch am Frühstückstisch ersetzen kann und überhaupt und sowieso, kann eine Fernbeziehung durchaus gelingen. Man muss nur wollen. Und das sehr. Liebe ist schließlich kein greifbares und logisch verknüpftes Phänomen, sondern abstrakt und unvorhersehbar. Und deshalb kann Liebe auch über Distanz bestehen und Berge versetzen. Quasi.

Probieren geht über Studieren, sagt es sich so schön. Wer seine Beziehung also nicht wegen ein paar hundert oder tausend Kilometern aufgeben will, der versucht sich an der Fernbeziehung und all den mit ihr einhergehenden Herausforderungen. Wie das Resümee hinterher dann ausfällt, hat man bis zu einem gewissen Grad selbst in der Hand und das Restrisiko ist ein Risiko, dass es sich lohnt, einzugehen. Und: Hinterher ist man immer schlauer.

Von Nadine Theresia Adolph