Kleiner Mann mit großem Herzen. Rezension zu The Tallest Man on Earth – There’s No Leaving Now

Irgendwo zwischen der schwedischen Landschaft und den amerikanischen Künstlerwurzeln wandelt ein junger Musiker mit einer Gitarre und einem sanften und großen Herzen, um dieses spielend auszuschütten. 

Warum ist eine CD so groß, wie sie letztendlich ist? Als Sony und Philips in den 70ern die CD auf den Markt brachten, sollte sie vorrangig zwei Dinge erfüllen. Sie sollte Beethovens 9. Symphonie komplett beinhalten können und sie sollte in die Innentasche eines genormten Jacketts passen.

Das ist der technische Rahmen. Aber wie viele Gefühle auf eine CD passen, darüber hat sich in der Marketing-Abteilung wohl keiner Gedanken gemacht. Der junge Schwede Kristian Matsson hat sich mit seiner Gitarre hingesetzt und sich genau damit beschäftigt. Und er hat Songs geschrieben. In diesen Tagen erscheint mit „There’s No Leaving Now“ sein drittes Album.

Auf alten Pfaden: The Tallest Man on Earth bringt Gitarren-Folk aus Schweden. © Matthias Jessen

Unter dem Namen „The Tallest Man on Earth“ veröffentlicht er nun schon seit geraumer Zeit hochwertige Folkmusik voller Herzenswärme und lyrischer Verspieltheit. Inspiriert von amerikanischen Folk-Legenden wie Bob Dylan, Bruce Springsteen oder Pete Seeger schreibt er mal humor- und hoffnungsvolle Songs, mal tupft er schmachtende Gitarrengemälde. Dabei versprüht er eine solche Lässigkeit, dass man fast schon neidisch auf so viel Talent werden könnte.

Und automatisch taucht die Frage auf, wie er in vielleicht 40 Jahren klingen mag. Eine Frage, die man sich bei Bon Ivers Justin Vernon ebenfalls gerne mal stellen kann. Vielleicht hat der junge Mann das Zeug zur neuen Folk-Legende.

Viel kann man an seinem neuen Album „There’s No Leaving Now“ nicht kritisieren. Es ist ein authentisches Werk, ein Album, randvoll gepackt mit brutaler Ehrlichkeit und einem unaufdringlichen und perfektionierten Gitarrenspiel. Aber vielleicht ist das auch der einzige Schwachpunkt: Es ist technisch einfach zu ausgereift und zu formvollendet. Der kratzigen und gefühlsgeladenen Gesangsstimme hätte eine etwas robustere und verrauchte Produktion sicherlich gut getan.

Charmant und selbstbewusst spielt er seine Songs runter und er mag mit seiner entspannten Gelassenheit so manchen Gehörgängen schmeicheln, doch ungleich seiner amerikanischen Idole rüttelt er damit mehr niemanden so wirklich wach, sondern komponiert lieber Stücke, die man an einem Sonntagnachmittag im Park selbst auf der Gitarre nachspielen kann, um das leichte und schwerelose Leben zu vertonen.

Hörproben:

> Song 1904
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Autor: Matthias Jessen