Hochschulwahl 2019 – Erfundene Ämter, seltsame Vorkommennisse, lief alles korrekt ab?

Der studentische Wahlausschuss veröffentlichte das  Wahlergebnis der Hochschulwahlen Ende Mai 2019. Doch scheinbar lief nicht alles ganz rund.  Plötzlich gab es einen Wahlvorsteher bei den Wahlen, ein Amt, was neu erfunden wurde. Der Wahlvorsteher war kein Mitglied des Wahlausschusses und sogar noch Kandidat, hatte aber Schlüsselgewalt und jederzeit Zugang zu den Wahlurnen. Lief alles korrekt ab? Wie geht es nun weiter?

Mit einer Wahlbeteiligung von 18,75 % haben sich 1.689 Wähler*innen von 9.009 Wahlberechtigten entschieden. Die Wahlbeteiligung lag leicht höher als im Jahr 2018 (15,2 %). Über die mangelnde Wahlbeteiligung hatte die Univativ berichtet. Sechs Plätze gehen an die Liste „Campus.grün“, vier Plätze an „KUL“, drei an „JuSo.HSG“ und jeweils zwei Plätze an „dieLinke.SDS“ und „LHG“.

Foto: AStA Uni Lüneburg – Wahlergebnis SoSe 2019 – Anzahl der Sitze im StuPa an die Listen

 

Der erste Fehler passierte beim Wahlausschuss, in dem die Nachfrist für einige Kandidaturen für die Fachgruppenvertretungen (FGV) nicht richtig nach außen kommuniziert worden und wie im vergangenen Jahr entsprechende Dokumente rückdatiert worden sind. Der nächste Fehler lag bei den Briefwahlunterlagen vor, so wurde die Liste „KUL“ dort in der Reihenfolge Nr. 4 festgelegt und „LHG“ Nr. 5, beides hätte jedoch andersherum sein müssen. Zur Info: Die Reihenfolge der Listen auf dem Wahlbogen orientiert sich daran, wer zuerst seine Kandidat*innenliste beim Wahlausschuss einreicht. KUL reichte ihre Liste als letztes ein und „drängelte“ sich auf Platz 4 vor.  Insgesamt gab es unter 10 Briefwähler*innen. Eine weitere Unachtsamkeit wurde der Univativ berichtet, dass scheinbar Briefwähler*innen dennoch zur Wahlurne gehen konnten und diese nicht bereits im Wähler*innenverzeichnis verzeichnet wurde, dass diese an der Briefwahl teilnehmen. Daher wäre eine doppelte Teilnahme möglich gewesen.

Doppel-Studium = Doppeltes Wahlrecht?

Wesentlich schwerwiegender ist jedoch, dass Studierende die im Doppel-Bachelor Programmen eingeschrieben worden sind, zwei verschiedene Matrikelnummern erhalten und dadurch auch zweimal wählen hätten gehen können. Diese können zwei verschiedene FGV wählen, jedoch nur einmal das StuPa. Nach Aussagen von Beteiligten soll jedoch der Wahlausschuss versucht haben, solche Fälle zu identifizieren und eine falsche doppelte Stimmabgabe zu vermeiden.

Neue Positionen erfunden – Der Wahlvorsteher – Schlüsselgewalt über alles

In der Niederschrift zu den Wahlen (Wahlniederschrift) findet sich auch die Position eines Wahlvorsteher und eines stellv. Wahlvorstehers wieder, neben den Mitgliedern des Wahlausschusses und der Wahlleitung. Merkwürdig wirkt dies, da weder in der Wahlordnung noch in der Satzung der Studierendenschaft dieses Amt formal existiert. Es fällt auch auf, dass der Wahlvorsteher gleichzeitig StuPa-Vorsitz ist. Zudem kandidierten sowohl der Wahlvortsteher wie seine Stellvertretung für das StuPa. Zudem wurden die Hochrechnungen und das Wahlergebnis durch E-Mail-Verteiler durch den StuPa-Vorsitz (ohne Erwähnung des Wortes Wahlvorsteher) verschickt und nicht vom studentischen Wahlausschuss.

Der Wahlvorsteher eröffnete die Wahlen am jeweiligen Tag, verwahrte die Schlüssel der Wahlurnen und er wies die Wahlhelfer*innen ein, alles Tätigkeiten, die in der Vergangenheit die Mitglieder des studentischen Wahlausschusses übernommen haben. Problematisch und schwerwiegend an dieser Stelle ist, dass der Wahlvorsteher auch gleichzeitig Kandidat (Liste Campus.grün) für das StuPa war und durch die Schlüsselgewalt über die Wahlurnen jederzeit Zugang zu den Wahlurnen hatte. In der Vergangenheit waren die Mitglieder des Wahlausschusses nicht gleichzeitig Kandidat*innen um unabhängig agieren zu können. Dieses Prinzip wurde verletzt.

Auf Anfrage der Univativ, an den „Wahlvorsteher“, woher die Legitimation für das Amt käme, wurde auf die Niedersächsische Landeswahlordnung verwiesen. Nach Rücksprache der Univativ mit einem Juristen ist jedoch klar, dass diese für die Studentischen Wahlen nicht gilt, sondern maßgeblich die Wahlordnung der Studierendenschaft ist.

Bisher liegen der Univativ keine Informationen vor, dass es Einwände gegen die Wahl gäbe, aber die generelle Einspruchsfrist gegen das Wahlergebnis endet am 07.06.2019 um 18:00 Uhr.

 

Nutzung des Univativ-WahlBots

Der Univativ Wahl-Bot, ähnlich dem Wahl-o-Maten, wurde rund 1.300 mal insgesamt genutzt. Das verrät uns die Nutzerstatistik aus Google Analytics, die meisten Zugriffe erfolgten dabei mit mobilen Endgeräten. Ergebnisse des Wahl-Bots wurden nicht protokolliert.

Fehlende Beteiligung in der Leuphana Professional School

Von den Studierenden der Leuphana Professional School (1.228) haben nur zwei Studierende von ihrem Wahlrecht gebraucht gemacht. Die Univativ hatte bereits darüber berichtet, dass es keine Kandidaturen für die FGV aus der Professional School gibt. Wie andere Studierende auch, durften diese an der Wahl zum Student*innenparlament (StuPa) teilnehmen, was jedoch nur 1,62 % in Anspruch nahmen.

Konstituierende Sitzung Student*innenparlament (StuPa)

Am 12.06.2019 um 16 Uhr in C9.102 soll bereits die erste Sitzung des StuPas stattfinden. Dabei werden zahlreiche Ämter neugewählt, darunter der Vorsitz des StuPas, Vorsitze und Stellvertreter der Ausschüsse, Protokoll, AStA-Sprecher*innen und AStA-Referate. Aufwandsentschädigungen gibt es für den Vorsitz des StuPa, Protokoll sowie AStA-Sprecher*innen, Finanzreferent*in und Personalreferent*in. Bei den AStA-Sprecher*innen in Summe ca. 800 brutto Euro/Monat.

Wahlbeteiligung in der Zukunft

Die Univativ hatte berichtet, dass eine Arbeitsgruppe im August 2018 eingerichtet wurde, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Nach mehrmaligen Erinnerungen und vier Wochen teilte uns der StuPa-Vorsitz mit, dass es diese Arbeitsgruppe gäbe, und hier der Vorschlag gemacht wurde, die akademischen (Wahlen im Wintersemester) und studentischen Wahlen wieder zusammenzulegen. Aus dieser Arbeitsgruppe liegen keine Beschlüsse vor.

 

Update 07.06.2019 – 18 Uhr: Der studentische Wahlausschuss teilte mittlerweile der Univativ mit, dass die Wahlurnen in einem anderen Raum untergebracht wurden und die Schlüsselgewalt beim studentischen Wahlausschuss lag. Eine 4-Augen-Kontrolle war zu jedem Zeitpunkt gewährleistet, der Wahlvorsteher hatte keine Möglichkeit auf alleinigen Zugriff.

Update 08.06.2019 – 18 Uhr: Der studentische Wahlausschuss teilte mittlerweile der Univativ ebenfalls mit, dass die Ämter Wahlvorsteher, Schriftführer und Besitzer sind im Sinne der Wahlordnung Wahlhelfer. Diese Begrifflichkeiten dienten zur Aufteilung der Aufgaben im Wahllokal. Man hat sich hier an der NLWO (Niedersächsische Landeswahlordnung) und dem NLWG (Niedersächsisches Landeswahlgesetz) orientiert.


Titelbild: (c) Univativ
Quelle: Studentischer Wahlausschuss

Christopher Bohlens

Schreibt immer irgendwas über Hochschule, Politik oder Veranstaltungen, wo es so richtig kracht. Liebt investigativen Journalismus und beschäftigt sich viel mit Daten.

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