Ersti-Tage: Wenn der Alkohol im Vordergrund steht

Erstsemester-Tage und Alkohol sind eine gefährliche Kombination. Viele Fachschaften und FGV-en veranstalten zu Beginn des Semesters mit ihren Erstsemester-Studierenden sogenannte Erstsemester-Tage, auch als Ersti-Tage oder O-Phase bezeichnet. Hier sollen sich die angehenden Studienanfänger*innen gegenseitig kennenlernen und mehr über ihren jeweiligen Studiengang erfahren.

Hauptsache Rausch / © Pixabay
Hauptsache Rausch / © Pixabay

So finden die Ersti-Tage zu unterschiedlichen Zeiten statt, teilweise vor der Startwoche oder auch danach. Manche dauern nur einen Tag, andere zwei oder sogar drei Tage. Einige zahlen Beiträge von bis zu 35 Euro für die Teilnahme an diesen Veranstaltungen. In Sachen Kreativität beim Motto oder den verschiedenen Kennenlernspielen, übertreffen sich die Veranstalter*innen jedes Jahr erneut.

Rotes Feld übertrifft alles

Den diesjährigen Vogel schoss die Fachgruppe Rechtswissenschaften aus dem Roten Feld ab. Name der Veranstaltung: „In dubio prosecco! – Erstitage“.

Sehr viel Alkohol /
Sehr viel Alkohol // Screenshot aus der Facebook-Veranstaltung

Im Informationstext heißt es noch harmlos: „Nutze die Chance und lerne schon vor der Leuphana Startwoche die Uni, Stadt und Kommilitonen kennen. Schließe Freundschaften fürs Leben, erlebe ein unvergessliches Wochenende.“

Unvergesslich? Wohl eher kaum. So wurde wenige Stunden vor Beginn der Veranstaltung ein Foto der fein säuberlich aufgereihten Alkoholreserven bei Facebook präsentiert. „Bis morgen!“, ist darunter zu lesen. Und auf einer Tafel steht: „70x Wodka, 80x Schnaps, 250 Liter Bier.“ Säfte zum Mischen gibt es auch, Cola, Orangenlimonade oder gar Wasser fehlen komplett.

Bei den Ersti-Tagen der Rechtswissenschaften wurde auch vor Ort an alles gedacht. So durften die Teilnehmer*innen eine Mülltüte über den Körper ziehen. Nicht etwa, um bei dem Wetter nicht nass zu werden. Sondern, um die Kleidung zu schonen, wenn mal was beim Anstoßen daneben geht. Außerdem zur Grundausstattung gehörte ein Schnapsglas zum Umhängen – nach Aussage einer Teilnehmerin wurde bei Bedarf sofort etwas nachgeschenkt.

Alles dreht sich um den Alkohol

Gleich in der Begrüßungsrede wurde stolz verkündet, dass die Teilnehmer*innen „ganz schön betrunken sein werden“. Also ging es gleich nach einer kurzen Kennenlernrunde mit den Spielen los, wobei hier der Alkohol immer im Vordergrund stand. Mit dem „Ecken-Trinken“ um das Gebäude im Roten Feld wurde der Campus-Rundgang gleich weggelassen. Ziel des Spiels: An jeder Ecke ein Bier trinken. Weiter ging es zum Ampel-Trinken mit roten, gelben und grünen Schnäpsen. Zudem wurde noch ein experimentales Spiel zur Probe der Geschmacksnerven eingebaut, bei dem mit verbundenen Augen Schnäpse erraten werden sollten. Schließlich zog die Gruppe weiter zum Lambertiplatz, um das Spiel mit dem Regenschirm zu spielen: Regenschirm auf den Boden stellen, Kopf auf den Griff, zehnmal um die eigene Achse laufen und danach möglichst geradeaus gehen. Wer fällt, muss trinken.

Die ersten Teilnehmer*innen mussten sich bereits kurz nach Beginn übergeben. Die Tutor*innen achteten jedoch darauf, dass jene Teilnehmer*innen, die zu viel tranken auch betreut wurden: Sie bekamen etwas zum Essen oder wurden nach Hause begleitet. Beim Besuch eines bekannten amerikanischen Schnellrestaurants wurde fleißig darauf geachtet, dass auch jeder etwas aß, um keinen leeren Magen zu haben.

Der Tag endete im Roten Feld mit einer Abschlussfeier im Pavillon. Am Sonntag gab es noch ein Frühstück, es wurde noch ein Tauschspiel gespielt, weitere Spiele fielen wegen des schlechten Wetters aus.

„Die Trinkspiele standen klar im Vordergrund“, so ein Teilnehmer. Teilnehmer*innen, die von Anfang an nichts tranken, wurden stillschweigend akzeptiert, jene, die jedoch mit wenig Alkohol anfingen, mussten sich später rechtfertigen, warum sie so wenig tranken und wurden durch Kommilitonen und Gruppenzwang dazu gebracht, weiter zu trinken. Schließlich wussten sich einige Teilnehmer nicht mehr zu helfen und schütteten heimlich den Alkohol weg, um nicht diskriminiert zu werden, erzählt eine Teilnehmerin.

Die Bilanz der Veranstaltung der Fachgruppe Rechtswissenschaften für das Gesundheitssystem: Eine Person verletzte sich aufgrund des Alkoholkonsums, eine weitere erlitt eine Alkoholvergiftung. 

Und was haben andere Fachschaften getrieben?

Die Fachschaft Business, Economics & Management veranstaltete ihre Ersti-Tage von Bachelor und Master an zwei Wochenenden. Im Gespräch mit Teilnehmer*innen hörte man heraus, dass der Alkohol keineswegs im Mittelpunkt stand, sondern sich jeder freiwillig Getränke wegnehmen konnte. Bändchen mit Schnapsglas gab es auch hier: Jeweils ein Kurzer zur Begrüßung pro Station. Alkoholfreie Alternativen gab es ebenfalls. Im Vordergrund standen lustige Kennenlernspiele, Campus-Spiele und Stadtführungen. Aber auch hier gab es einige Trinkspiele wie: Schnaps erkennen und Sackhüpfen mit Toastbrot und Kräuterbitter im Mund. Auf eine sonst bekannte Kleiderkette im Freien an der Brücke am Stint wurde verzichtet. Stattdessen fand sie in einem Gebäude am Campus statt. 

Der Kuwi-Ersti-Tag fand direkt am Samstag nach der Startwoche statt und war von verschiedenen Campus-Spielen geprägt. Dabei stand auch hier Alkohol zur Verfügung, den sich die Teilnehmer*innen selbst nehmen durften. Im Gespräch mit der Fachschaft wurde klar, dass alkoholische und nicht-alkoholische Getränke etwa in gleicher Menge gegenüberstanden. Trinkspiele gab es auch hier, wie beispielsweise Flunky-Ball, trotzdem gab es aber auch genügend andere Spiele ohne Alkohol. Den Tutor*innen wurde deutlich von den Organisator*innen erklärt, dass es keinen Zwang gäbe Alkohol zu trinken und dass auch immer alkoholfreie Alternativen angeboten werden sollten.


Ein Hinweis der Redaktion

Alkohol ist häufig ein gesellschaftlich akzeptiertes Suchtmittel. Dennoch dürfen seine Gefahren nicht ignoriert werden. Informationen und Hilfe hält die BZgA bereit u. a. durch die Kampagne „Kenn-dein-Limit für Erwachsene“ und „Kenn-dein-Limit für Jugendliche“.
Auch in Lüneburg gibt es Beratungsstellen; unter anderem bei drobs und Selbsthilfegruppen bei Kibis. Speziell für Studierende steht auch die PBS vom Studentenwerk bereit. Die bundesweite Telefonseelsorge ist unter 0800-11 10 111 erreichbar, sie bietet mittlerweile auch Chat und E-Mail Betreuung an.

Autor: Christopher Bohlens
(ist Mitglied der Fachschaft BEM, nahm an den Ersti-Tagen nicht teil)

Christopher Bohlens

Schreibt immer irgendwas über Hochschule, Politik oder Veranstaltungen, wo es so richtig kracht. Liebt investigativen Journalismus und beschäftigt sich viel mit Daten.

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