Die Wiederwahl von Uni-Präsident Spoun: Keine Ausschreibung, viel Drama.

Sie ist in aller Munde am Campus: die Wahl des Uni-Präsidenten. Der Senat der Leuphana Universität Lüneburg verlängerte gestern Abend die Amtszeit von Uni-Präsident Sascha Spoun um weitere acht Jahre, ohne eine öffentliche Ausschreibung herauszugeben. Eine umstrittene Wahl, die viele Student*innen, Professor*innen und weitere Interessierte mitverfolgten.

 

Das Niedersächsische Hochschulgesetz (NHG) – Die Spielregeln der Hochschulpolitik

Im folgenden Text werden wir uns oft auf das Niedersächsische Hochschulgesetz – das „NHG“ beziehen. Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 legen die Bundesländer ihre eigenen Rahmenbedingungen fest, so auch Niedersachsen. Das NHG regelt z.B. die Strukturen an den Hochschulen, die Studierendenschaft, Verwaltungskosten, die Berufung von Professor*innen, aber auch die Aufgaben und Wählbarkeit der Uni-Präsident*innen und die Struktur der akademischen Senate. Das ist zum Verständnis der aktuellen Geschehnisse hilfreich, da Präsident Spoun und der akademische Senat ihren Handlungsspielraum mit diesem Gesetz begründen.

Was genau machen eigentlich Uni-Präsident*innen?

Das Niedersächsische Hochschulgesetz gibt darüber Auskunft:

(1) Die Präsidentin oder der Präsident vertritt die Hochschule nach außen, führt den Vorsitz im Präsidium und legt die Richtlinien für das Präsidium fest. (§38 Abs. 1 S. 1 NHG)

Neben seiner repräsentativen Rolle als Gallionsfigur der Leuphana leitet er das Präsidium: Das ist quasi die Regierung (Exekutive) der Leuphana. Er übt somit Einfluss auf die Orientierung und Entwicklung der Universität aus.

Was war nochmal der Senat?

Wenn ihr euch das Präsidium als Regierung der Uni vorstellt, wäre der Senat das Parlament (Legislative). Der Senat wählt den oder die Präsident*in der Universität, ebenso wie die Vize-Präsident*innen. Im Gremium sitzen mehrere „Stände“, die Statusgruppen heißen. Im Senat entscheiden derzeit drei Student*innen, drei Menschen aus Technik Verwaltung , drei Personen aus dem Wissenschaftlichen Mittelbau (Forschende und Lehrende ohne Professur) und zehn Professor*innen. Das sind die Stimmberechtigten. Ebenso sitzen im Senat der aktuelle Uni-Präsident als Vorsitz und die beratenden Mitglieder (Dekane, Vize-Präsident*innen, Gleichstellungsbeauftragte und Vertrauenspersonen), die aber nicht mit abstimmen dürfen. Die Anzahl der Sitze gibt das NHG vor. Dass die Gruppe der Professor*innen über mehr Stimmen als die Gruppe der Student*innen verfügt, ist ein seit Jahrzehnten umstrittenes Thema. Die Professor*innenmehrheit stützt sich jedoch auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1973. Somit muss es im Senat eine professorale Mehrheit geben.

Es sollte zudem berücksichtigt werden, dass die Professor*innen im Arbeitsverhältnis mit dem Präsidenten stehen, was Auswirkungen auf das Abstimmverhalten haben könnte. Es kann auch passieren, dass eines der drei studentischen Senatsmitglieder ein Modul bei einem/einer der stimmberechtigten Professor*innen belegt, was ebenfalls zu Interessenkonflikten führen könnte.

Was ist jetzt das Problem? Warum liegen Löffel im Hörsaalgang?

Präsident Spoun kam im Ende 2005 an die Leuphana – die damals noch nicht so hieß und gerade die Fusion aus Universität und Fachhochschule hinter sich hatte. Der Senat wählte ihn von 2006 bis 2012 in seine erste Amtszeit. Auf seine Initiative hin übernahm die Leuphana das Major/Minor-Studienmodell und die ersten Pläne zum später kontrovers diskutierten Zentralgebäude enstanden. Im Jahr 2012 verlängerte der Senat Spouns Amtszeit – ohne öffentliche Ausschreibung und trotz hitziger Diskussionen um den damaligen Vize-Präsidenten Holm Keller.
Im Jahr 2020 wird Präsident Spouns zweite Amtszeit auslaufen. Im Dezember 2018 kündigte er an, für eine dritte Amtszeit (bis 2028) zur Verfügung zu stehen. Gleichzeitig soll er laut der Online-Zeitung „Die Ostschweiz“ für die Universität St. Gallen als Rektor im Gespräch gewesen sein. Letztendlich entschied er sich doch für die Leuphana. Am 11. Januar schrieb die LZ, dass der Senat wohlmöglich auf eine öffentliche Ausschreibung des Präsident*innenamtes verzichten würde: Der Senat würde die Amtszeit des Präsidenten um weitere 8 Jahre verlängern, ohne Gegenkandidat*innen. Dies ermögliche das NHG. (§ 38 Abs. 4 Satz 4 NHG)
Das Student*innenparlament (StuPa) und der Allgemeine Student*innenausschuss (AStA) sprachen sich daraufhin für eine öffentliche Ausschreibung aus und übten Kritik an der Person Spouns. Zudem luden die beiden Gremien zur Vollversammlung ein, um über die Thematik zu diskutieren: Am Ende stand ein aus 14 Punkten bestehender Fragenkatalog, mit dem Ziel, den Präsidenten mit den besprochenen Themen zu konfrontieren. Zudem planten mehrere Teilnehmer*innen Protestaktionen. Dafür legten sie z.B. Löffel im Hörsaalgang oder vor der Mensa zu Fragezeichen aus. Diese Aktionen sollten auf die spätere Vorstellung des Präsidenten aufmerksam machen.

Frag den Präsidenten

Auf Drängen mehrerer Statusgruppen im Senat bereitete der Präsident eine Infoveranstaltung vor – geplant waren 30 Minuten Vorstellung und 30 Minuten Fragerunde zu seiner Strategie für die kommende Amtszeit. Ins Foyer des Zentralgebäude kamen um die 400 Interessierte, darunter viele Student*innen und Professor*innen. Am Ende waren fast alle Stühle besetzt und ein Großteil der Anwesenden saß auf dem Fußboden. Für die nächste halbe Stunde präsentierte Sascha Spoun seine Ziele für die nächste Amtszeit:

„Den Erfolgsweg stabilisieren, Potentiale absichern und entwickeln“.

Dabei bezog er sich vor allem auf die Qualität der Lehre, internationalen Kooperationen, die Stärkung des Frauenanteils und mehr Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen. Als weiteres Ziel nannte er einen autoärmeren Campus und eine feedbackstarke Führungskultur. Zudem schloss er aus, dass die Kosten des Zentralgebäudes sich negativ auf Forschung und Lehre ausüben werden.

Eine halbe Stunde lang beantwortete Präsident Spoun Fragen aus dem Publikum (c) Christopher Bohlens

Danach folgte eine halbstündige Frage und Antwortrunde mit der Hochschulöffentlichkeit. Die anwesenden Student*innen trugen ihre Anliegen, Kommentare und Fragen vor, die sie am Tag zuvor in der Vollversammlung erarbeitet hatten. In der Diskussion meldeten sich nur Studierende zu Wort, dabei wurde ein Handzettel mit den vorher beschlossenen Fragen verteilt. Bei einigen Fragen wurde eine fordernde Haltung bei der Fragestellung und Kommentaren deutlich. In der ersten Frage ging es um den Raummangel an der Universität:

„Wie gedenken Sie, mit dem aktuellen Raummangel umzugehen?“

Spoun verwies auf einige Büros im Zentralgebäude, die zu Arbeitsräumen umgestaltet werden, sobald die Renovierungsarbeiten von Gebäude 6 abgeschlossen seien. Auf die Frage, weshalb die studentische Statusgruppe im Senat unterrepräsentiert sei, wies er darauf hin, dass die Struktur durch das NHG vorgegeben und somit Streitthema der Landespolitik sei. Weshalb er keine Ausschreibung in Erwägung ziehe, begründete er ebenfalls mit dem NHG. Die erneute Wiederwahl ohne Ausschreibung und Gegenkandidat*innen sei eine Möglichkeit, die das Hochschulgesetz dem Senat erlaube und somit legitim sei. Ein Demokratiedefizit sehe er nicht, da der Senat trotzdem in einer demokratischen Abstimmung entscheide, ob er die Amtszeit des Präsidenten verlängere oder nicht. Die Student*innen konfrontierten ihn zudem mit der kommenden, bisher unbekannten Endabrechnung des Zentralgebäudes: Wie viel das Zentralgebäude letztendliche koste und vom ursprünglichen Preis abweiche, stehe noch offen. Spoun erwiderte, dass es gewöhnlich dauere, eine Rechnung mit allen getätigten Arbeiten an einem großen Gebäude zusammenzustellen. Viele Gewerke müssten hier mitwirken und Mängelbeseitigungen nach Garantie und Gewährleistung geklärt werden. Den Vergleich des Zentralgebäudes mit der Elbphilharmonie wies er stark zurück. Der Landesrechnungshof schätzt die Kosten des Zentralgebäudes auf etwa 100 Millionen, die Kosten der Elbharmonie lagen Millionen bei geplanten 780 Millionen. Zudem waren beim Zentralgebäude aus verschiedenen Gründen höhere Kosten angefallen, etwa durch komplexe Umplanungen, andere Finanzierungskonzepte, Nachbarschaftsklagen, Umweltauflagen und einen Baustopp. In einer seiner Antworten machte Präsident Spoun klar, dass er lange überlegte, ob er nochmals für eine weitere Amtszeit zur Verfügung stehe. Er habe die Chancen und Risiken abgewogen, darunter auch, sich einer hochschulöffentlichen Veranstaltung wie dieser zu stellen. Diese Herausforderung nehme er gerne an, so Spoun.

Zu empörten Zwischenrufen und Lachern kam es bei der Frage zum Frauenanteil. Auf die studentische Frage: „Wir wollen eine Frau als Präsidenten unserer Uni. Können Sie nicht Platz machen?“ antwortete er: „Für eine Geschlechtsumwandlung stehe ich nicht zur Verfügung.“

Schließlich endete die Veranstaltung mit Verweis auf die bereits überschrittene Zeit und die weitere Senatssitzung mit Beratung und Wahl. Mehrere Student*innen waren empört. Der Vorwurf: Präsident Spoun sei nicht konkret auf alle Fragen eingegangen. Zudem verzichte er weiterhin auf eine öffentliche Ausschreibung, die die studentische Statusgruppe einstimmig gefordert hatte. Ein kleiner Chor begann mit Protestgesang, einzelne Student*innen ergriffen das Mikrofon, als der Präsident das Foyer verließ. Mehrere Mitglieder aus dem AStA hielten Schilder mit Aufschriften wie „Sind wir nur Deko?“ oder „Demokratie ist anders“ hoch.

 

Ein Großteil der Anwesenden bekam keinen Stuhl mehr ab. (c) Christopher Bohlens

Was danach passierte

Die Senatssitzung ging weiter und mündete dann in einer nicht-öffentlichen Befragung. Eine Schar aufgebrachter Student*innen sammelte sich und diskutierte mit den studentischen Senator*innen über das weitere Vorgehen. Schließlich begann der Wahlvorgang. Der Senat gab jedoch nicht das Ergebnis mit dem Stimmverhältnis bekannt. Der Stiftungsrat der muss der Verlängerung der Amtszeit noch zustimmen und sollte nicht durch  das Stimmverhältnis beeinflusst werden. Außerdem helfe dies auch, dass jede Partei das eigene Gesicht wahren könne. Zudem sieht die Geschäftsführung des Senates vor, dass ein Tagesordnungspunkt mit einem nicht öffentlichen Teil komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt werde. Dies sei vorgesehen, damit Senatsmitglieder und der Präsident frei reden dürfen und mit persönlichen Daten diskutieren können.
Gegen 20.30 Uhr erschien im Mitarbeiter-Verteiler und auf mystudy eine Pressemitteilung der Hochschulleitung, die das Ergebnis bekannt gab:

„Die Senatsmitglieder votierten mehrheitlich für eine weitere achtjährige Amtszeit.“

Präsident Spoun wird somit, nach der Bestätigung durch den Stiftungsrat, bis 2028 seine dritte Amtszeit antreten. Die Landeszeitung schreibt jedoch, dass laut Informationen der Zeitung nur eine knappe Mehrheit für Präsident Spoun stimmte. Spätestens mit der Veröffentlichung des Protokolls der Senatssitzung wird das Wahlergebnis öffentlich. Das Ergebnis wird wohl noch für weitere Debatten sorgen.

 


Titelbild: (c) Christopher Bohlens
Aus Transparenzgründen: Der Autor ist Mitglied der Liberalen Hochschulgruppe Lüneburg. (Die LHG sprach sich für eine öffentliche Ausschreibung aus, schloss sich jedoch nicht der vom StuPa, AStA und der Vollversammlung geübten Kritik an der Person Spouns an.)

Jan Gooß

Hat an der Leuphana Politikwissenschaft studiert und will nicht die Welt retten. Sowas soll's ja auch geben.

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