Auf der Suche nach Sinn

Seit jeher suchen Menschen nach einer Antwort auf die Frage: Was ist der Sinn des Lebens? Trotz verschiedenster Ideen, gefunden wurde er nie. Gute Ansätze für mehr Sinn in Beruf und Privatleben hingegen schon.

Die Frage nach dem Sinn im Leben ist schnell beantwortet: Lebe lange genug, um dich fortzupflanzen und gegebenenfalls das Überleben deiner Nachkommen zu sichern. Oder kürzer: Leben ist der Sinn des Lebens. Zumindest, wenn man Biologe ist.  Doch – manche mögen sagen leider – reicht den allermeisten Menschen diese Antwort nicht aus, schon gar nicht in schwierigen Lebensphasen.

Die Tatsache, dass wir auf einem Erdklumpen im unendlichen All schweben und trotzdem täglich aufs Klo und zur Arbeit gehen, leben und sterben müssen: Vollkommen absurd, vollkommen sinnlos.

Worin also besteht der Sinn des Lebens? Frühe Philosophen haben nach einem allgemeingültigen, objektiven Sinn gesucht und vieles Vorgeschlagen: Weisheit, Stärke, Genuss oder Verzicht. Wirklich zufrieden waren sie damit am Ende trotzdem nicht. Moderne Denker haben eher nach dem subjektiven Sinn gesucht: Liebe, Freundschaften, persönliche Erfüllung. Die bisher letzte Gruppe der Sinnsucher, die Existenzialisten um Albert Camus, Jean-Paul Sartre und andere, ist schließlich zu dem ernüchternden Schluss gekommen: Es gibt ihn gar nicht, den Sinn im Leben. Die Tatsache, dass wir auf einem Erdklumpen im unendlichen All schweben und trotzdem täglich aufs Klo und zur Arbeit gehen, leben und sterben müssen: Vollkommen absurd, vollkommen sinnlos.

Also noch schnell vor den letzten Metronom werfen?

Nein. Denn wenn nichts einen Sinn hat, dann hat alles einen Sinn. Macht keinen Sinn? Muss es auch nicht. Trotzdem KANN alles einen Sinn haben, denn erst Menschen schreiben Dingen und Tätigkeiten Sinn zu. Die tägliche Teezeremonie eines japanischen Mönches, der er viele, vielleicht tausende Stunden seines Lebens widmet, um Tee über eine alte Teekannen zu gießen und sie so zu glasieren, mag vielen Beobachtern als vollkommen sinnlos erscheinen. Der Mönch jedoch spürt Zufriedenheit, Erfüllung, vielleicht sogar Glück. Er hat seinen Sinn gefunden. Gebraucht hat es dazu nur eine Teekanne und etwas heißes Wasser.

Soweit zur Erkenntnis, die praktische Umsetzung hingegen fällt vermutlich deutlich schwerer. Im Berufsleben zumindest ist bereits bekannt, was Sinn und Erfüllung schafft: die sogenannten drei E‘s. Das sind Engagement (Freude an der Arbeit), Exzellenz (kompetente Ausübung der Arbeit) und Ethik (die soziale Verantwortung der Arbeit). Diese Punkte können bei einem Busfahrer genauso erfüllt sein wie bei einem Neurochirurgen. Oder eben nicht. Und den Job kann man glücklicherweise wechseln. Bei sich selbst, im Privaten, sieht das schwieriger aus. Dort kann jedoch, so ungern ich es zugebe, Religion Sinn geben. Mit Gott ist die Suche nach Sinn beendet. Und auch die Wissenschaft kennt Spiritualität neben gesunden sozialen Beziehungen und Selbstwirksamkeit als einen festen Prädiktor für Lebenszufriedenheit.

Alle Konventionen und Erwartungen abschütteln

Problematisch wird es, wenn man sich zum Glauben an einen Gott nicht überwinden kann, soziale Beziehungen, gerade während des zeitlich begrenzten Studiums, ohne Tiefgang bleiben und auch die Selbstverwirklichung aufgrund von unendlichen Möglichkeiten in der modernen Welt (gefühlt) nicht gegeben ist. Ist dieses Gefühl anhaltend und quälend, ist man möglicherweise depressiv und sollte sich bei guten Freunden, der Familie oder einem Arzt Hilfe suchen.

Wenn nicht, könnte man versuchen, alle Konventionen und Erwartungen abzuschütteln und sich fragen: Was macht für MICH Sinn? Denn ohne festen Sinn im Leben ist man niemandem etwas schuldig, kann auf Geld, Ansehen und den großen Plan verzichten und einfach drauf los leben – und vielleicht nebenher noch versuchen ein wenig Gutes zu tun, auch wenn das für aktiv Sinnsuchende jetzt wohl reichlich naiv klingt.

Einfach ein bisschen mehr Käse als sonst über unsere Spaghetti streuen.

Nun muss der vorangegangene Absatz recht frustrierend wirken, es ist keine Schatzkarte hinterlegt, kein X markiert die Stelle, wo der Sinn letztlich nach langer (Irr-)Fahrt ganz sicher zu finden sein wird. Denn, wie oben bereits festgestellt:Es gibt ihn nicht. Man könnte sich von der Brücke stürzen, es würde wohl nur Wenige wirklich interessieren, spätestens in 100 Jahren wäre man vergessen. Oder aber, man sagt sich: Was habe ich schon zu verlieren? Dann können wir uns tapfer der Sinnlosigkeit stellen, ob das nun unbedingt in Form von Nietzsches „Übermensch“ sein muss, oder indem wir einfach ein bisschen mehr Käse als sonst über unsere Spaghetti streuen. Ohne Gott, ohne großen Plan oder moralische Pflicht, ist es uns freigestellt nach Sinn zu forschen. Jeder Einzelne muss für sich entscheiden, ob und wie er das Leben auskosten will.

Doch auch mit guten Freunden, tollem Job und leckerem Essen wird die Frage nach dem Warum nie ganz verschwinden. Sie ist eine unendliche Schleife, in der jede Antwort eine neue Frage aufwirft. Vielleicht sollten wir einfach versuchen, gut zu Leben und den Sinn behandeln wie die merkwürdigen kleinen Fäden, die manchmal durch die Randbereiche unseres Sichtfeldes schwimmen: Am besten gar nicht beachten. Denn versucht man sie anzuschauen, verschwinden sie.

Titelbild: Not all those who wander are lost / Uroš Jovi?i?, Unsplash

Ernst Jordan

dont wait for me, if i care bout anything, anywhere losin myself, i get the stares what im lookin at, wasnt there (wasnt there)

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