Der mächtige Mann vom Bosporus

„Erdowie, Erdowo, Erdogan…!“ Über FÜNF MILLIONEN KLICKS, ein aufgebrachter Präsident und ein Zwist im Anbiederungsgeplänkel Deutschlands um die Türkei als strategischen EU-Partner. Doch wer ist eigentlich dieser „Boss vom Bosporus“, der einen Staatsakt aufgrund einer ausländischen Satire provoziert? Wir haben einige Fakten für euch zusammengestellt.

Besuch im Kreml: Erdogan im Juni 2015 / (c) kremlin.ru/events/president/news/49702
Besuch im Kreml: Erdogan im Juni 2015 / (c) kremlin.ru

Recep Tayyip Erdogan (62) ist seit 2014 der Präsident der Türkei, Vater von vier Kindern und für viele Türkinnen und Türken ein Vorzeigeehemann. Als Gründungsmitglied der regierenden muslimisch-konservativen Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) blickt Erdogan auf eine achterbahngleiche Politkarriere zurück.

Geprägt von seiner Ausbildung am religiösen Imam-Hatip-Gymnasium, engagierte er sich jahrzehntelang politisch in islamistischen Parteien (MNP, MSP, RP, FP), die eine nach der anderen aufgrund des Vorwurfs der Sympathie zum Dschihad und des Wunsches nach Einführung der Scharia verboten wurden.

Den fragwürdigsten Tiefpunkt seiner Karriere fand Erdogan, als er 1998 nach dem Zitieren eines religiösen Gedichts wegen „Aufhetzung des Volkes“ zu vier Monaten Gefängnisstrafe und lebenslangem Politikverbot verurteilt wurde. Letzteres wurde nach einer Verfassungsänderung aufgehoben. So konnte der heute mächtigste Mann der Türkei mit hervorragenden Wahlergebnissen erst den Ministerpräsidentenposten und dann das Präsidentenamt übernehmen.

Zu Erdogans größten Erfolgen wird der wirtschaftliche Aufschwung der Türkei gezählt. Während seiner Zeit als Ministerpräsident hat sich das Pro-Kopf-Einkommen in der Türkei verdreifacht, auch sank der Armutsanteil von 20 auf 2 Prozent. Eng daran geknüpft ist der Ausbau der Infrastruktur in Form von Straßen, Flughäfen, Kraftwerken und Zügen. In dem Machthaber sehen viele konservative Türkinnen und Türken einen Helden, der durch sein selbstbewusstes Auftreten dem Land zu neuem Nationalstolz verhilft. Auch seine Bemühungen die Türkei vom Säkularismus zu lösen (zum Beispiel durch die Abschaffung des Kopftuchverbotes) werden von den Muslimen überwiegend positiv gesehen.

Kritik an dem Präsidenten finden vor allem der Westen und türkische Liberale, besonders in den Großstädten. Hervorstechende Themen sind die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit,  Korruptionsvorwürfe, der Präsidentenprunkbau im Naturschutzgebiet, die Islamisierung sowie die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen. Insbesondere in Deutschland erhitzten zudem seine Aussagen zur Integration der in Deutschland lebenden Türken die Gemüter: „Niemand wird in der Lage sein, uns von unseren Traditionen zu trennen. […] Unsere Kinder sollen Deutsch lernen, aber zuerst sollen sie Türkisch lernen.“

Autorin: Ramona Meyer

Der Text unterliegt dem Anspruch auf Objektivität, wenngleich eine westliche Prägung der dargestellten Informationen mangels türkischer bzw. arabischer Sprachkenntnisse nicht ausgeschlossen werden kann.