Das Ende von Lemmy Kilmister

Lemmy, Motörhead und der Tod des Rock? / (C) flickr - Jessica Branstetter
Lemmy, Motörhead und der Tod des Rock? / (C) flickr – Jessica Branstetter

…und Motörhead und Rock ’n’  Roll? Das Ableben der vermeintlich unverwüstbaren Legende am Ende letzten Jahres hat mich schockiert, obwohl mir Lemmys bedenklicher Gesundheitszustand seit Jahren bewusst war. Er kam mir immer wie ein Mann vor, der selbst den nuklearen Holocaust überleben würde, und dennoch hat es ihn vier Tage nach seinem 70. Geburtstag erwischt. Ein Nachruf für den wohl größten Verfechter von Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll.

Als Ich Lemmy Kilmister – die Legende, den Metal-Gott – zum ersten Mal sah, stand er auf der Bühne, so wie er es wahrscheinlich den Großteil seines Lebens getan hat. Es war auf Wacken 2011 und ich als 16-jähriger unbedeutender Mini-Metalhead, der noch nicht einmal lange Haare hatte, fühlte mich genau so: Unbedeutend und absolut unwürdig in Lemmys Präsenz. Zwar war er nicht die einzige Legende, die ich auf diesem meinem ersten Festival sehen durfte: Ozzy und Judas Priest spielten ebenfalls und machten das Line-up perfekt, aber Motörhead und ihr Bassist und Frontmann Lemmy haben bei mir den größten Eindruck hinterlassen.

Schon sein Auftreten, sein Ruf und seine Aura, die sofort in der Menschenmasse spürbar war, jagten mir vor freudiger Erwartung – aber auch vor Ehrfurcht – eine Gänsehaut über den Rücken. Als dann Lemmys berühmter Rickenbacker Bass zum ersten Mal dröhnte und er mit seiner rauchigen Stimme die klassische Motörhead-Begrüßung „We are Motörhead and we play Rock ’n’ Roll“ donnerte, war es um mich geschehen.

Zwei Jahre später, am gleichen Ort, sollten Motörhead erneut spielen und natürlich war ich dem Ruf gefolgt. Aber etwas war anders: Lemmy schien seltsam kraftlos und stark gealtert. Ich hatte schon vor dem Festival Gerüchte über eine Herzoperation des Sängers gehört, wusste aber nichts Genaues. Lemmy spielte an diesem Tag zwar, aber er spielte nur eine halbe Stunde lang, bevor er entkräftet von der Bühne ging.

Die versammelte Metallerschaft wirkte kollektiv perplex und schockiert, zollte ihrem Helden mit Rufen und erhobenen „Pommesgabeln“ aber tiefen Respekt. Hier und da hörte ich besorgte Stimmen, dass es dann wohl bald mit Lemmy vorbei sei. Auch ich hatte solche Gedanken, war mir aber sicher, dass der Unzerstörbare sich noch lange halten würde. Das war schließlich Lemmy: derjenige, der einst getestet hat, wie viel Speed ein Mensch wirklich vertragen kann.

Nicht umsonst schrieb sein Kollege Onkel Tom Angelripper das Lied „Lemmy macht mir Mut“. Dort heißt es: „Nikotin stets abgelehnt. Und jeden Tag ein Stoßgebet. Immer nur sich selbst geliebt und stets hat die Vernunft gesiegt. Das alles trifft auf ihn nicht zu, auch wenn die ganze Welt zerbricht, und trotzdem lebt er immer noch: Lemmy macht mir Mut. Für mich wird er unsterblich sein, ein Mythos für die Ewigkeit. Lemmy macht mir Mut. Lemmy… Legenden sterben nie.“

Und doch ist er am 28.12.2015 von uns gegangen und mit ihm eine Ära, die er durch seine bloße Existenz am Leben gehalten hat: Die wilden Siebziger, die Zeit des harten, dreckigen und doch so faszinierenden Rock ’n’ Roll. Ich glaube nicht, dass es jemals wieder eine Persönlichkeit geben wird, die das Lebensgefühl, den Stil und die Musik dieser Zeit so verkörpert, wie es Lemmy mit jeder whiskeyverseuchten Zelle getan hat. Und das macht mich traurig, obwohl ich weiß, dass Lemmy nicht der Typ war, der gewollt hätte, dass auch nur eine Träne über seinen Tod vergossen wird. Er hätte gewollt, dass wir ungetrübt weiter leben, ihn und seine Musik feiern und sie natürlich so laut wie möglich hören. Es gibt noch so viel über diesen Mann zu sagen, aber anstatt um ihn zu trauern, werde ich genau das tun: In seiner Ehre noch einmal (und garantiert noch viel öfter) „Ace of Spades“ anmachen und die Anlage bis zum Anschlag aufdrehen. „ That’s the way I like it baby, I don’t wanna live forever!“

Prost Lemmy!

 

Autor: Fynn Mollenhauer