Bissige Hunde, Inka-Ruinen und Sandboarden: Kim in Lima

Operation „Ich bin dann mal weg“. Wie fühlt sich ein Auslandssemester an?

(c) Leonie Ksoll

Kim (21) studiert Kulturwissenschaften. Im Moment verbringt sie ihr 5. Semester an der Universidad San Martín de Porres in Lima, Perú.

Welches Fach / welche Fächer studierst du dort?

Ciencias de comunicación, also Kommunikationswissenschaften.

Unterscheidet sich das Studium an dieser Uni von dem, was du von der Leuphana kennst? Wenn ja, was sind die Unterschiede?

Das Studium in Peru unterscheidet sich sehr stark von dem in Lüneburg. Generell ist es hier viel verschulter. Es gibt keine Diskussionen sondern nur Auswendiglernen. Was der Professor vorträgt ist richtig. Zwischendurch werden Fragen gestellt, die aber meistens nur mit „Si“ oder „No“ im Klassenkollektiv beantwortet werden. Es gibt auch keine Hausarbeiten, die für KuWis in Lüneburg obligatorisch sind, sondern nur Tests sowie Prüfungen– und davon ziemlich viele. So gibt es diverse Lektüretests, Midterms und Finalexams. Die Zwischen- und Endprüfungen sind sowohl schriftlich als auch praktisch. Auch wenn man mehr Zeit im Semester investieren muss, hat dieses System  auch Vorteile, denn die Endnote hängt nicht nur von einer einzigen Leistung ab.

Etwas anderes, woran man sich auch erst einmal gewöhnen muss, sind die strikt zu befolgenden Regeln. Wo in Lüneburg kein Seminar und keine Vorlesung vergeht, in der nicht mindestens ein Student mit seinem Laptop oder Handy mitschreibt oder spielt, ist dies hier strikt verboten. Ebenfalls darf weder getrunken noch gegessen werden. Bei Fehlverhalten wird man aus dem Unterricht geworfen. Man darf auch nicht eine Sekunde zu spät zum Unterricht kommen, sonst erhält man keinen Zutritt zu den Seminarräumen. Die Anwesenheit wird aber in jeder Stunde geprüft…

Dafür gibt es an der USMP unglaublich viele Möglichkeiten im Bereich der Medien. Es gibt diverse Radiostudios, eine eigene Zeitung und Onlineredaktion, Fotokurse und mein Highlight: drei Fernsehstudios. Die Hälfte des Unterrichts ist praktisch ausgerichtet, sodass man nur den theoretischen Teil überstehen muss. Das hat mir besonders gut gefallen, gerade weil diese Chance in Lüneburg nicht existiert.

Was tust du dort noch, außer Studieren?

Weil Peru, abgesehen vom Großteil seiner Hauptstadt Lima, wunderschön  und vor allem vielseitig ist, bin ich viel gereist. Es gibt hier eigentlich alles: Sonne, Strand und Meer, die Bergkette der Anden, Wüste und den Amazonas mit seinem riesigen Dschungel. Außerdem kann man abgesehen von Machu Picchu auch andere Inka-Ruinen in fast jeder Stadt bewundern. Das geht am besten mit anderen Austauschstudenten, die hier zahlreich und aus allen Ländern vertreten sind. Mit denen kann man auch besonders gut feiern.

In der Uni konnte ich auch in der Volleyballmannschaft der Fakultät spielen. Wir hatten jeden Samstag ein Spiel gegen eine andere Fakultät derselben Uni.

Was war dein allererster Eindruck von dem Land, der Stadt, der Uni?

Blick über Lima (c) Kim Rudolph

Wenn man am Flughafen von Lima ankommt und ein Taxi Richtung Unterkunft nimmt, muss man zuerst durch das Armenviertel Callao. Hier sind Häuser nur halb fertig, die Straßen löcherig und man sieht viele Bettler. Später wenn man dann im Touristenviertel ankommt, wo prunkvolle Gebäude stehen, alle 2 Meter ein Polizist patrouilliert und Stadtarbeiter die Straßen feinsäuberlich fegen, ist die Schere zwischen Arm und Reich nicht besser zu verbildlichen. Lima ist außerdem eine Stadt mit wenig Charme, aber dafür umso mehr Verkehr und Lärm. Besonders die Autoalarmanlagen werden mir lange im Gedächtnis bleiben.

Die Uni San Martín de Porres ist ein moderner Bau in Grau mit vielen verspiegelten Fenstern und einem kleinen Campus mit wenig Grasfläche. Am Tag der Einschreibung wurden wir einmal herum geführt und mir gefielen sofort die diversen Studios.

Konntest du schnell Anschluss an Kommilitonen finden?

Mit der Mehrheit der Peruaner ist es eher schwierig Kontakt aufzunehmen, da diese eher weniger ausgehen oder in Stadtteilen weit entfernt wohnen. Nichtsdestotrotz sind sie aber aufgeschlossen, herzlich und hilfsbereit. Innerhalb der Uni konnten wir auch einige Freundschaften knüpfen, diese beschränkten sich bei der Mehrheit nur auf die Uni und den Campus. Vielmehr verbringt man seine freie Zeit mit den anderen „Gringos“, wie wir hier liebevoll genannt wurden.

Hattest du bisher Schwierigkeiten? Wenn ja, welche?

Nein.

Dein schlimmstes Erlebnis bis jetzt?

Ich wurde bei einem abendlichen Lauf von einem Hund gebissen. Dies wäre in Deutschland nicht so dramatisch, aber hier gibt es keine Impfungsvorschrift. Somit ist Tollwut keine Seltenheit. Glücklicherweise stellte sich jedoch schnell heraus, dass es kein Straßenhund war und er alle Impfungen besaß. Trotzdem hätte ich keine Gegenimpfung vor dem nächsten Tag bekommen können, da Krankenhäuser nicht über diese Injektion verfügen und das eine Tollwutcenter in Lima nur tagsüber geöffnet hat.

 

Sandboarden in den Wüsten um Lima (c) Tobias Kosubek

Dein schönstes Erlebnis bis jetzt?

Eigentlich alle bisherigen Reisen in Peru. So war das Sandboarden in der Wüste bei Ica ein riesiger Spaß und das Hiken und Übernachten in den Bergen bei Huaraz ein einmaliges Erlebnis in über 4500 m Höhen.

Trotzdem hebt sich der viertägige Trip in den Dschungel bei Iquitos besonders ab. Nicht nur durch den bedeutungsgeprägten Namen unseres Führers (Hitler), sondern auch durch die unbekannte Natur, die beeindruckenden Dschungelwanderungen, dem Baden im Amazonas und den leckersten Früchten die ich je gegessen habe.

Dein merkwürdigstes Erlebnis bis jetzt?

Busfahren ist hier in Lima immer ein Erlebnis. Am Anfang ist man vom „System“ komplett überfordert und nach diversen Dokumentationen über die schlimmsten Unfälle in letzter Zeit, betet man meistens, dass man nicht im Bus sitzt oder steht, wenn dem total überalterten und zusammengebastelten Bus mit viel zu vielen Insassen so ein Unglück zustößt.

Hast du Heimweh?

Am Anfang will man so viel vom Land sehen wie man kann und unternimmt jeden Tag etwas mit den anderen Austauschstudenten, doch irgendwann kommt eine Ruhephase und man vermisst seine Familie, Freunde und das organisierte Deutschland. Aber Heimweh tritt eigentlich nur Phasenweise ein und ist kein Dauerzustand.

Kommst du über die Weihnachtszeit zurück nach Deutschland?

Nein. Wir feiern hier zusammen mit anderen Austauschstudenten.

Ist ein Auslandssemester empfehlenswert?

Ja auf jeden Fall. Man lernt eine andere Sprache, viele unterschiedliche Menschen, eine andere Kultur und auch sich selbst besser kennen. Jeder der überlegt ins Ausland zu gehen, sollte es machen.

Ist deine Auslands-Uni empfehlenswert?

Auch wenn mir der theoretische Teil nicht so gut gefallen hat, ist der praktische Teil umso interessanter und gewährt Einblicke in einen möglichen Arbeitsalltag in den Medien. Außerdem sind viele Unis außerhalb von Deutschland sehr verschult. Deshalb würde ich die Uni empfehlen.

Würdest du noch ein Auslandssemester machen?

Ja. Ich könnte mir gut vorstellen einen Teil des Masters im Ausland zu machen.

Würdest du ein Praktikum im Ausland machen?

Ja.

Haben wir eine Frage vergessen?

Vielleicht was generell nervt?

Man muss hier immer aufpassen, dass man nicht beklaut wird, denn von 25 Austausch-Freunden wurden hier 80 % mindestens einmal beklaut. So benutzt man ein altes Handy, nimmt nur wenig Geld mit und versucht seine Kreditkarte immer zuhause zu lassen. Stories wie Scheibe vom Taxi eingeschlagen und das komplette Gepäck geklaut oder nachts im Taxi mit Pistole am Kopf ausgeraubt, machen die Gefahr dieser Millionenstadt deutlich. So ist man hier eigentlich nie frei, sondern überlegt immer, wer mit einem abends nachhause fährt.

Auch die Erzählungen von der korrupten Polizei, die einen ernsthaft fragt, was sie davon hat, eine Anzeige aufzugeben, nachdem einem Mac-Book, Karten für ein Festival und ein ganzen Rucksack mit Gepäck gestohlen wurden, geben einem nicht das Gefühl von Sicherheit. Das ist etwas, dass ich in Zukunft in Deutschland mehr schätzen werde.