Univativ Filmkritik: Bauer Unser

Zum 18. Mal fanden am 26. und 27. November im SCALA Programmkino die Lüneburger Umwelt-Filmtage statt. Gezeigt wurde unter anderem der österreichische Dokumentarfilm „Bauer Unser“ von Robert Schabus, der einen ungeschönten Blick auf die Landwirtschaft und die dahinter stehende Industrie wirft.

(c) Allegro Film 2016

Es ist einer der ältesten Berufe der Menschheit: Schon im Mittelalter waren die meisten Menschen Bauern. Noch heute arbeiten rund 40 Prozent der Weltbevölkerung in der Landwirtschaft. Sie kümmern sich um Ackerbau, Viehhaltung und darum, dass Du und ich genug zu essen auf den Tellern haben.
Was global viel ist, ist in der EU wenig. Nur rund zwei Prozent der Bevölkerung sind Landwirte – und die stehen durch das Mehr-schneller-billiger-Mantra der Lebensmittelindustrie zunehmend unter Druck. Das zeigt der 2016 gedrehte Dokumentarfilm ebenso unaufgeregt wie eindrucksvoll.
Schabus porträtiert sechs sehr unterschiedliche österreichische Bauernhöfe.

Da ist zum Beispiel der Bio-Bauer Simon Vetter, der sein selbst angebautes Gemüse und das eigene Rindfleisch noch im Hofladen und auf dem Wochenmarkt verkauft. „Das Kernproblem bei landwirtschaftlichen Produkten ist, dass man eigentlich jederzeit austauschbar ist für den Handel. Da findet sich sofort jemand, der das noch billiger macht“, sagt er.
Am eigenen Leib zu spüren bekommt das der Milch-Bio-Bauer Ewald Grünzweil, der mit seinen gerade mal vierzig Kühen um die Existenz kämpft. Dennoch will Grünzweil nicht auf die industrielle Milchproduktion umsteigen – aus Überzeugung, wie er meint.
Auch Maria Vogt, die mit ihrem Mann Wein und Gemüse anbaut und ihre Schafe per Hand melkt, will ihren Hof nicht vergrößern: „Es geht ja auch anders.“
Im krassen Kontrast zu Vogts Kleinbetrieb liefert der Milchbauer Friedrich Grojer mit hochtechnisierter Gerätschaft bis zu 4.000 Liter Milch am Tag an die Molkerei. Und in Franz Tatschls Legehennenbetrieb fristen rund 65.000 Hühner ihre etwas mehr als einjährige Lebenszeit. Danach, erzählt Tatschl, sinke die Legekurve auf unter 80 Prozent, was nicht mehr rentabel sei: Die Hühner werden geschlachtet.

So groß die Unterschiede zwischen Bio-Bauern und „Agraringenieuren“ sein mögen – in einem Punkt sind sich alle Bauern einig: So wie jetzt kann und darf es in der Landwirtschaft nicht weitergehen.
Industrie, Wirtschaft, aber auch der Verbraucher mit seinem Wunsch nach billigen Preisen üben einen enormen Druck auf die Landwirte aus. „Damit ich mein neuestes Handy kaufen und ein richtig fesches Auto fahren kann, dürfen Lebensmittel nicht so teuer sein“, beschreibt Benedikt Haerlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft die generelle Einstellung der Gesellschaft.
Wegen der Geiz-ist-geil-Mentalität mussten in den letzten Jahren immer mehr österreichische Betriebe aufgeben. Oft sind die Märkte mit billigen Lebensmitteln überschwemmt. Die Bauern machen mehr Verlust als Gewinn. Viele haben zudem Kredite aufgenommen, um ihre Höfe zu vergrößern. Bricht der Markt ein, können die Bauern das Geld nicht mehr zurückzahlen – und schmeißen hin.
Wer trotzdem weiter macht, hat es schwer. Viele Landwirte fühlen sich dafür verantwortlich, dass die Branche läuft. Das hat zum Teil drastische Folgen: Unter den Bauern sei zuletzt die Selbstmordrate gestiegen, sagt der französische Landwirt und Politiker Joseph Bové. Martin Häusling, EU-Parlamentsabgeordneter und ebenfalls Bauer, nennt den Agrarbetrieb „ein völlig perverses System.“
Denn obwohl die Ansprüche an das Agrarsystem größer werden, ist es alles andere als effizient. So werden 40 Prozent der derzeit in der Landwirtschaft produzierten Kalorien verschwendet oder verschwinden auf dem Weg zwischen Produzent und Konsument.
Dabei ließen sich mit einer nachhaltigeren Nutzung der Nahrungsmittel laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO bis zu 12 Milliarden Menschen ernähren – weitaus mehr als die rund 7,5 Milliarden, die zurzeit auf der Erde leben.

Erste Zeichen für einen Wandel gibt es bereits: Immer mehr Kunden interessieren sich für die Herkunft ihrer Lebensmittel und kaufen lieber beim Hofladen an der Ecke als im Supermarkt. Simon Vetter kennt viele seiner Kunden persönlich.
Trotzdem ist Entfremdung ein großes Problem: „Bauer Unser“ ist deshalb auch ein Appell dafür, mal wieder auf den nächsten Bauernhof zu fahren, den Kuhmist zu riechen und mit dem Landwirt des Vertrauens ins Gespräch zu kommen. So könnte vielleicht das entstehen, was Bauern seit dem Mittelalter nur selten erfahren: Wertschätzung für ihre Arbeit.
Autorinnen: Christina Mikalo & Theresa Brand