Univativ Filmkritik: Der seidene Faden

Im England der 1950er Jahre treffen und verlieben sich zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Es beginnt mit einer Nahaufnahme der Hauptfigur Alma (Vicky Krieps), dessen Gesicht im warmen Licht des Kaminfeuers getränkt ist. Sie erzählt ihrem Arzt von ihrer Beziehung zu Reynolds Woodcock (Daniel Day-Lewis). Die eigentliche Handlung beginnt nun in Form von Flashbacks.
Der exzentrische Schneider und notorische Fremdgänger Reynolds Woodcock verliebt sich, zum ersten Mal wirklich, so scheint es, in die junge Kellnerin Alma, die er in einer Kleinstadt kennenlernt. Die Beziehung ist zunächst größtenteils von Aufregung geprägt: Er entwirft ihr edle Kleider, die genau auf sie zugeschnitten sind, führt sie in noble Restaurants aus und sie erlaubt es ihm, ihren Körper als Inspiration zu verwenden.
Schnell wird die Beziehung jedoch für beide unbefriedigend, komplex und düster. Geplagt vom Verlust seiner Mutter, von seinem Drang zur Überlegenheit und gleichzeitig von seinem Bedürfnis, umsorgt zu werden, gerät die Beziehung ins Rütteln. Es beginnt ein konfliktreiches Hin und Her, in dem um Liebe und Kontrolle gekämpft wird.

Paul Thomas Anderson, der bereits bei There Will Be Blood (ebenfalls mit Daniel Day-Lewis) als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent agiert hat, nimmt auch bei diesem Film diese Rollen ein. Mit stilvollen Kleidern von Mark Bridges und einem Soundtrack, der jeder Szene genau das gibt, was es braucht, ist dies ein Film, der den Hype (und die 6 Oscarnominierungen) wahrlich verdient. Die Szenen waren ruhig und lang, die Kamera stand still, und die Cuts wurden auf das Nötigste reduziert. Dies stand oft im starken Kontrast zur Handlung selbst und die teilweise angespannte Atmosphäre rückte so noch mehr in den Vordergrund.

Daniel Day-Lewis in seiner letzten Rolle

Daniel Day-Lewis‘ Karriere endet spektakulär, was auch im Hinblick auf seine vorherigen Filme keine Überraschung ist.
Der Film verspricht viel, hält diese Versprechen jedoch auch. Unübertreffliches Kostümdesign, die hervorragende Kameraführung und die Überzeugungskraft der Schauspieler und Schauspielerinnen – alles mit einem Soundtrack, der die Stimmung betont und die komplexen Emotionen und das befremdliche Verhalten der Charaktere unterstützt. Die Kombination dieser Aspekte kreiert einen wunderschönen, gelungenen Film, den man unbedingt auf einer großen Leinwand sehen sollte.
Wer einen klassischen Liebesfilm sehen möchte, sollte sich nicht für dieses Drama entscheiden. Das Ende, das vielleicht für die Charaktere befriedigend ist, würden die meisten Zuschauer wahrscheinlich nicht als Happy End betrachten. Das Verhalten der Hauptfiguren ist oft abschreckend und nicht nachvollziehbar, was jedoch gleichzeitig den Film so außergewöhnlich macht. Der seidene Faden ist für Filmliebhaber, die eine unvorhersehbare Handlung wünschen und für diejenigen, die bereit sind, eine neue dysfunktionale Art der Liebe kennenzulernen.

 

(c) Universal Pictures International France


Der deutsche Filmstart war am 01. Februar 2018. In Lüneburg läuft dieser Film im Scala Programmkino – wahlweise auch im englischen Originalton. Die Spielzeiten findet ihr hier.