Über die Leuphana und das College-Modell – Sascha Spoun im Interview

Das Leuphana-Modell mag zwar fortschrittlich sein, führt aber auch bei vielen Studierenden zu Problemen, falls sie einen Master anhängen wollen. Oft genug ist der Leuphana-Abschluss zu breit gefächert, um die, für den Wunschmaster fehlenden CP mitzubringen. Da helfen nur Zusatzmodule. Oder? Wir haben uns deshalb mit Präsident Sascha Spoun zusammengesetzt und die Probleme des College-Modells besprochen.

El Presidente Sascha Spoun / (C) Leuphana Universität Lüneburg
El Presidente Sascha Spoun / (C) Leuphana Universität Lüneburg

Herr Spoun, schön, dass Sie sich Zeit nehmen. Sie sind verantwortlich für die Einführung der Bachelor und Master Studiengänge an der Leuphana. Doch bevor wir zu den Problemen des College-Systems kommen, möchten wir unseren Lesern gerne Ihren Hintergrund näherbringen. Wie sind Sie damals an die Leuphana gekommen?

Das geht zurück in das Jahr 2005 und startete mit einem Telefonanruf. Man wollte damals einen externen Präsidenten für die Uni. Es gab bereits zwei Kandidaten, doch keine Einigung. Ich war zu der Zeit für die Einführung von Bachelor und Masterstudiengängen in St. Gallen tätig und noch nie in Lüneburg gewesen, doch das Angebot klang vielversprechend, es war ein deutlicher Wille für Veränderung spürbar. Ich habe der Findungskommission vorgetragen und nach mehreren Gesprächen und vielen Besuchen wurde ich einstimmig vom Senat gewählt. Das und der klare Wunsch, eine gute Uni werden zu wollen, waren für mich ein gutes Zeichen.

Was war die Intention hinter dem Konzept „Leuphana“?

Wenn Sie zwei Organisationen haben und eine Fusion erreichen wollen, brauchen Sie etwas, das gemeinsam neu geschaffen wird. Sie können nicht die eine Organisation unter die andere setzen. Beide Organisationen, die Fachhochschule NordOstNiedersachsen und die Universität Lüneburg, haben in vielen Punkten gerade umgekehrt funktioniert. Deshalb mussten wir ein gemeinsames, neues Projekt schaffen, damit die Fusion nicht nur ein Dach bleibt, denn das wäre niemals ein attraktiver Studienort geworden. Die fundamentale Entscheidung, nach heftigen Debatten im Sommer 2006, war eine echte Neuausrichtung. Die Frage war: Was sind die Themen, mit denen sich die Uni beschäftigen will, was sind die inhaltlichen Punkte mit denen wir Profil gewinnen wollen?

Damals wurde also der Begriff der Nachhaltigkeit an der Leuphana verankert?

Genau. Wir haben damals auch die eigenständige Fakultät Kulturwissenschaften gegründet. Ziel war es, ein attraktives und eigenständiges Studienmodell auf die Beine zu bringen. Deshalb haben wir uns für eine Kombination von Geistes- und Sozialwissenschaften entschieden. Das Konzept der Kombination verschiedener ineinandergreifender Disziplinen haben wir auch auf andere Studiengänge angewandt: BWL und Wirtschaftsinformatik zum Beispiel. Immer unter der Leitfrage: Wie kann unser Angebot so attraktiv sein, dass gute Studierende und gute Lehrende zu uns finden, so dass sich eine Thematik und eine Kultur entwickeln kann.

„Wir haben die Umstellung für eine grundlegende Reflexion genutzt.“

Das College-System der Leuphana ist zwar innovativ, steht aber in der Kritik. Die Anschlussfähigkeit an externe Master ist oftmals schwierig. Wie könnte man die Anschlussfähigkeit an externe Master verbessern?

Viele Hochschulen haben sich auf die Umstellung auf Bachelor und Master nur sehr widerwillig eingelassen, haben nur versucht, ihre vorhandenen Fachstudiengänge zu komprimieren. Es gibt ganz wenige Universitäten, die das für eine grundlegende Reflektion genutzt haben. Wir haben das damals gemacht, andere ziehen jetzt schrittweise nach. Dennoch ist ein Grad an Ungleichzeitigkeit nicht von der Hand zu weisen. Auf internationaler Ebene jedoch sind wir sehr anschlussfähig.
In Deutschland existiert eine recht einfache Planungsgröße: Für 100 Bachelorplätze gibt es vielleicht 50-60 Masterplätze. Es war immer der Anspruch der Politik, dass nicht alle in den Master gehen. Dies wurde jedoch ohne die Bildungsabsichten der Studierenden gemacht. Wir an der Leuphana haben immer das Ziel gehabt, eine möglichst große Zahl an Masterprogrammen zugänglich zu machen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. In den Kulturwissenschaften gibt es wenige kulturwissenschaftliche Master, aber viele in Literaturwissenschaften, in Medien, in Kunstgeschichte, also in Spezialisierungsfeldern. Jetzt ist die Frage, wie wir über Wahloptionen den Studierenden die Möglichkeiten schaffen können, sich aus einer breiteren Feldauswahl spezialisieren zu können.

„Es ist uns nicht gelungen, Psychologie und Wirtschaftspsychologie zusammenzuführen.“

Das hat für die Studierenden der Wirtschaftspsychologie wohl nicht so gut funktioniert.

Im Rahmen der Fusion ist es uns nicht gelungen, die Psychologie aus der Bildung und die Wirtschaftspsychologie zusammenzuführen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Das ist einfach eine der Sachen, die nicht gelungen ist. Man hat die Wirtschaftspsychologie in dem spezialisierten Angebot, wie es an der Fachhochschule üblich war, weitergeführt und damit automatisch eine Beschränkung der Wahlmöglichkeiten eingeführt. Wir haben das immer wieder thematisiert, konnten aber bedauerlicherweise nichts erreichen. Dank einer großen Kampagne der Studierenden, von vor etwa zwei Jahren, ist es dann gelungen, den Studiengang breiter und flexibler zu gestalten. Der Major ist jetzt breit auf Grundlagen orientiert und bieten mit einem Minor in Wirtschaftspsychologie die Möglichkeit interessante Profile zu erstellen.

„Es geht nicht darum, mit minimalem Aufwand einen Bachelorabschluss zu erreichen.“

Wenn ich Sie richtig verstanden haben, ist das Modell der Leuphana für Deutschland also zu fortschrittlich?

Das Collegesystem setzt sehr stark auf das Individuum, seinen Bildungswillen, auch über die reine berufliche Nutzbarkeit hinaus. Es geht nicht darum, wie ich mit minimalem Aufwand einen Bachelor-Abschluss erreichen kann. Wenn Sie im ersten Semester in einen spezialisierten Bachelor einsteigen, haben Sie sehr früh einen Weg vorgezeichnet. In unserem College-System können Sie sich dagegen eine Reihe von Optionen aufrechterhalten, um auch später noch Entscheidungen für Ihre Zukunft zu treffen. Natürlich kann es trotzdem sein, dass für einen speziellen Master Zusatzleistungen erworben werden müssen, die über die vorgeschriebenen 180 Credits hinausgehen.

Das dürfte für viele Bachelorstudierende traurige Realität sein.

Im Gegenteil, für eine große Gruppe geht es ohne Zusatzleistungen. Wir haben das für den Major Psychologie systematisch erhoben. Etwa 50 % aller Masterstudiengänge sind ohne weitere Zusatzleistungen in Deutschland in der Psychologie zugänglich. Das ist eine ausreichende Bandbreite.

Das Interview führte Andreas Hussendörfer

Wie ist deine Meinung zu den Bachelor- und Masterprogammen? Schreib uns an univativ@leuphana.de.