Inside AStA – eine Woche beim AStA-Sprecher*innenkollektiv

Unsere Autorin war eine Woche Gast im AStA-Büro. Dies ist ihr Bericht über die Arbeit des Sprecher*innenkollektivs – über Verantwortung, Überstunden und Kompromisse.

Wir schleusten unsere Autorin ins AStA-Büro ein / Foto: Kim Torster
Wir schleusten unsere Autorin ins AStA-Büro ein / Foto: Kim Torster


Am Montagmorgen nach dem Lunatic ist der Campus leer, allen steckt das Wochenende noch in den Knochen. Und obwohl sich der Lüneburger Himmel mitten im Semester blau und wolkenlos zeigt, scheinen die meisten im Bett geblieben zu sein.

Ich bin auf dem Weg zu Gebäude 9. Eine Woche lang möchte ich die Arbeit des AStA und vor allem die seiner drei Sprecher*innen beobachten.

Alltag im AStA-Büro

Als ich um 9 Uhr das AStA-Büro betrete, sitzt Ronja schon an ihrem Platz und tippt eine E-Mail. An der Wand hängt ein großes Whiteboard, darauf ist eine lange To-do-Liste zu lesen. An den anderen Wänden finden sich Plakate, Spruchbanner und Fotos, die nahezu jeden weißen Fleck überdecken. In der Mitte des Raumes steht ein langer Tisch. An diesem Tisch sitzen normalerweise die verschiedensten Menschen. Hier finden Meetings statt und hier wird still gearbeitet. Heute ist er allerdings noch unbesetzt. Als Ronja mich sieht, wünscht sie mir fröhlich einen guten Morgen und springt auf. Erst mal Kaffee machen.


Ronja (22) ist eine von insgesamt drei AStA-Sprecher*innen. Zu diesem Zeitpunkt ist sie seit drei Monaten im Amt, die neue Wahl steht kurz bevor. Ronja wird hier wieder kandidieren und wurde vom StuPa erneut gewählt werden. Sie studiert Individuale – dort nach eigenen Angaben vor allem Kuwi und Philosophie und „ein bisschen Wirtschaftswissenschaften“ und ist nun im fünften Semester.
Ronja selbst hat ebenfalls einen Sitz im StuPa – als Vertreterin* der Liste Quattro.FAK. Dort aktiv war sie schon vor ihrer Wahl zur AStA-Sprecherin*, ebenso als Referentin* des PENG!-Referats des AStA. Als sie merkte, dass sie sich gern mehr für den AStA engagieren würde, bewarb sie sich als Sprecherin* – und wurde gewählt.


Zusammen gehen wir den Terminkalender aller drei Sprecher*innen für diese Woche durch. Ich sehe verschiedenfarbige Balken (jede*r Sprecher*in hat eine eigene Farbe), die nahezu jede Minute von Montag bis Freitag bedecken. Ronja zuckt mit den Schultern. Diese Woche, so sagt sie, sei es ruhig.

Jemand kommt rein und hält Ronja die Hafermilch vor die Nase. Ob die noch gut sei? Ronja tut, was einem der Menschenverstand rät und probiert einen kleinen Schluck. „Ich denke schon.“, sagt sie und gibt ihm die Milch zurück.

Ich sitze an dem großen Tisch und beobachte, wie sich der Raum langsam mit Menschen füllt. Viele wünschen einen guten Morgen und gehen dann wieder. Obwohl sich hier alle gegenseitig zu kennen scheinen, ist niemand verwundert, dass jemand Unbekanntes dabei ist.

Als schließlich auch Jasper und Susanna anwesend sind, findet das wöchentliche Montags-Teammeeting des AStA-Sprecher*innenkollektivs statt. Diese Woche geht es vor allem um die neue Rahmenprüfungsordnung, zu der kurz vorher eine Vollversammlung stattgefunden hat. Und um das anstehende AStA-Sommerfest, mit dem  Susanna – neben der Koordination des Semestertickets für das Wintersemester 2016/17 – alle Hände voll zu tun hat.

Sie selbst sagt, sie sei„Bier- und Eisbeauftragte.“ 


Susanna (21) ist ebenfalls AStA-Sprecher*in und begann ihre Tätigkeit zur gleichen Zeit wie Ronja. Auch sie wurde am Ende des Sommersemesters 2016 erneut gewählt. Susanna studiert Environmental and Sustainability Studies, ein umwelt- und naturwissenschaftliches Studienprogramm der Leuphana, das ein Auslandsjahr beinhaltet. Hierfür war sie 2015 zwei Semester lang in Ungarn. Vor ihrem Auslandsaufenthalt war sich Susanna nicht sicher, ob die Stelle als AStA-Sprecherin* das Richtige für sie sei. Als sie erkannte, dass es in Ungarn „so gut wie keine studentische Selbstverwaltung“ gibt und wie wichtig diese tatsächlich ist, beschloss sie, zurück in Lüneburg, sich zur Wahl zu stellen. Nebenbei – und auch schon vor ihrer Tätigkeit im AStA – engagiert sich Susanna hochschulpolitisch bei der Liste campus.grün, besetzt selbst jedoch keinen Platz im StuPa.


Der Rest des Tages wird vor allem mit Büroarbeit verbracht. Rechenschaftsberichte schreiben, Verträge prüfen. Zwischendurch verlässt immer wieder jemand den Raum, um ein Seminar zu besuchen. Man studiert ja schließlich auch noch.

„Effektiv kann man nicht normal weiterstudieren, wenn man AStA-Sprecher*in ist.“, erklärt mir Ronja. Es käme auch auf die persönliche Belastbarkeit an, ob man es überhaupt noch schaffe, 10 oder 15 CP pro Semester zu machen. In vielen Fällen gäbe es AStA-Sprecher*innen, die aufgrund ihrer Aufgaben ganz aufgehört hätten zu studieren. Jasper ist einer von ihnen. Er habe versucht, weiter zu studieren, es sei ihm jedoch nicht gelungen.


Jasper (24) hat Kulturwissenschaften und Philosophie studiert und war zum Zeitpunkt meiner Recherchen bereits seit etwa eineinhalb Jahren AStA-Sprecher*. Zur anstehenden Wahl hat er sich nicht erneut aufstellen lassen, seine Stelle hat mittlerweile Lisa übernommen. Auch Jasper ist in der Hochschulpolitik aktiv. Wie Ronja, vertritt er im Stupa die Liste Quattro.FAK.


Für die Arbeit als AStA-Sprecher*in erhält jede*r der drei eine sogenannte Aufwandsentschädigung in Höhe des aktuellen Bafög-Höchstsatzes: zum Zeitpunkt meiner Recherchen liegt dieser bei 670 Euro. Bezahlt wird diese aus dem studentischen Haushalt – also dem Geld, das jede*r Student*in vor Semesterbeginn an die Uni überweisen muss, um immatrikuliert zu bleiben.

Jobben nebenbei? Unmöglich.

Im Rahmen der Hochschulwahlen im Mai 2016 hatte Univativ einen Wahlbot entworfen, der den Student*innen durch Beantwortung von 26 Fragen dabei helfen sollte, die für ihre Interessen passende Liste zu wählen. Die Ergebnisse wurden anschließend veröffentlicht. Unter anderem wurde hier auch die Höhe der Aufwandsentschädigung für AStA-Sprecher*innen thematisiert: 46 Prozent wählten die Option, dass diese maximal 450 Euro monatlich betragen sollte, nur 14 Prozent stimmten dagegen, der Rest stand zu dieser Frage neutral.

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Ronja (links) und Susanna (rechts) bei der Arbeit / Foto: Kim Torster

Als ich Susanna, Jasper und Ronja darauf anspreche, erklären sie mir, dass diese Debatte nicht neu sei. „Das gab es ja schon mal, dass 400 Euro als Aufwandsentschädigung ausgezahlt wurden. Und ich glaub da haben alle sehr drunter gelitten. Man kann halt auch nebenbei nicht mehr jobben, das geht nicht.“, sagt Ronja. Jasper ergänzt: „Will ich, dass das nur Menschen machen können, die von ihrem Background privilegiert sind und die sich das erlauben können oder will ich das auch Menschen ermöglichen, die diesen Background eben nicht haben? Und die neben ihrem Studium arbeiten müssen. Von 450 Euro im Monat kann man halt nicht leben. Außerdem obliegt diese Entscheidung dem Student*innen-Parlament, welches von alles Student*innen gewählt wird.“

Tatsächlich präsentiert sich auch mir die Arbeit der AStA-Sprecher*innen als Vollzeitjob – mit Gleitzeit. Offiziell ist die Stelle als AStA-Sprecher*in übrigens auf zwanzig Stunden pro Woche ausgeschrieben – das hat versicherungstechnische Gründe. Susanna, Jasper und Ronja war jedoch von Beginn an klar, auf was sie sich einlassen sollten. Jede*r von ihnen überlegte sich ihre*seine Kandidatur deshalb vorab sehr gründlich, wie sie mir unabhängig voneinander erzählten.

Organisieren, planen, Kaffee.

Den gesamten Rest der Woche begleite ich die drei entweder zu Meetings – beispielsweise mit den Verantwortlichen der Startwoche oder Versicherungsvertreter*innen – oder wir sitzen gemeinsam im AStA-Büro und arbeiten still vor uns hin. Während ich Texte für meine Seminare lese oder schreibe, haben Jasper, Ronja und Susanna Büroarbeit für den AStA zu erledigen. Die Verträge mit den verschiedenen Verkehrsunternehmen für das Semesterticket liegen bereits final auf dem Tisch und müssen nun von zwei der drei AStA-Sprecher*innen unterschrieben werden. Ausgaben von mehr als einer Million Euro in der Verantwortung von Susanna und Ronja.

Der Mittwoch entpuppt sich als einer der stressigsten Tage dieser Woche, denn heute ist sowohl AStA- als auch StuPa-Sitzung. Gegen 10 Uhr betritt jemand das Büro und sagt, es sei Farbe an einer der Bibliothekstüren, die entfernt werden müsse. Der AStA sei dafür verantwortlich, weil die Farbe vom AStA-Stand auf dem Lunatic stamme. Ronja verspricht, dass sich jemand darum kümmern wird, sofort holt Jasper Eimer und Schwamm und verlässt den Raum.

Mittlerweile hat sich das Büro mit Menschen gefüllt. Die meisten von ihnen sind von den verschiedenen AStA-Referaten und müssen an einem der zwei vorhanden Computer arbeiten, die sich gerade von Susanna und Ronja in Benutzung befinden. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu warten.

Bei der AStA-Sitzung sind in der Regel alle AStA-Sprecher*innen sowie die jeweiligen Vertreter*innen der AStA-Referate anwesend. Heute sind es zwölf von siebzehn und Susanna freut sich über die hohe Anwesenheitsquote. Gerade, als die wichtigsten Punkte auf der Tagesordnung abgehakt sind, müssen Ronja und Jasper die Sitzung verlassen, um pünktlich um 15.30 Uhr zur StuPa-Sitzung zu kommen.

Vor allem zeitlich gesehen kollidieren hier die Aufgaben der AStA-Sprecher*innen, die gleichzeitig Vertreter*innen des Stupas sind. Zudem sind alle drei Sprecher*innen auch Listenmitglieder. Diese Situation ist nicht immer einfach: „Da gibt es dann immer den eigenen Konflikt: als Listenmitglied würde ich das jetzt gerne noch weiter voranbringen, aber als AStA-Mitglied weiß ich, dass das vielleicht gerade nicht geht. Da muss man auch einfach persönlich entscheiden, wie man damit umgeht.“, erklärt Susanna.

Lösungen und Büroarbeit

Das (damalig aktuelle) AStA-Sprecher*innenkollektiv Jasper, Ronja und Susanna (v. links) / Foto: Aljoscha Al-Badri
Das (damalig aktuelle) AStA-Sprecher*innenkollektiv Jasper, Ronja und Susanna (v. links) / Foto: Aljoscha Al-Badri

Aber wie ist es, zur gleichen Zeit Legislative und Exekutive der Student*innenvertretung zu sein? Und birgt das nicht die Gefahr, Interessen einseitig zu vertreten? „Das ist eben Teil von demokratischen Prozessen. Dass es eine Mehrheit gibt, die entsprechend ihrer Positionen handelt. Wenn man das kritisieren will, dann muss man das demokratische Prinzip dahinter kritisieren – dass es eben Mehrheiten gibt, die entscheiden.“, sagt Jasper. Alle Student*innen ausnahmslos zu vertreten sei ohnehin nicht möglich. Dafür bräuchte es 9.000 AStA-Sprecher*innen. Problematisch fände er es nur sich selbst zu wählen. Daher habe er sich bei seiner eigenen Wahl die Stimmkarte abgegeben.

Bei der ersten StuPa-Sitzung der neuen Amtszeit, geht es vor allem um Organisatorisches. Nachdem der neue Vorsitz des StuPa gewählt ist, werden die Sprecher*innen zu einem Bericht über die jüngste Arbeit des AStA aufgefordert. Abwechselnd erzählen Ronja, Jasper und Susanna, die nun auch anwesend ist. Gegen 23.00 Uhr endet die StuPa-Sitzung an diesem Mittwoch schließlich.

Am nächsten Morgen treffe ich die drei AStA-Sprecher*innen um 10 Uhr im Büro wieder. Es steht ein Treffen bezüglich eines sogenannten Härtefalls auf dem Plan. Das sind Student*innen, die beispielsweise den Semesterbeitrag nicht bezahlen können oder die andere Schwierigkeiten im Studium haben. Hier müssen Lösungen gefunden werden. Und außerdem gibt es ja auch noch Büroarbeit zu erledigen.

Autorin: Kim Torster


Dieser Artikel ist auch in der aktuellen Ausgabe des AStA-Magazins „Resonanzraum“ zu lesen.

Kim Torster

Kim hat Kuwi studiert und war Chefredakteurin bei Univativ. Heute arbeitet sie nicht als Taxifahrerin, sondern als Journalistin. Glück gehabt.

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