Harmonisch hinterm Deich: Mein Besuch auf dem Deichbrand

Unser Autor war im Sommer das erste Mal auf dem Deichbrand. Hier lest ihr sein Fazit.

Deichbrand 2016 / Foto: Jan Dumkow
Deichbrand 2016 / Foto: Jan Dumkow

Als sich im Frühjahr 2016 aufgrund meiner Abschlussarbeit mein Leben weitestgehend zwischen Bibliothek und heimischem Schreibtisch abspielte, fasste ich den Entschluss, mich nach Abgabe mit einem Festivalbesuch mit zwei guten Freunden zu belohnen. Die lange produktive Schreibphase sollte mit dem kompletten Gegenteil, einer „Sinnbefreiung“, im wahrsten Sinne gewürdigt werden. Da die besagten Freunde beide in Süddeutschland wohnen, war klar, dass ein starkes Line-Up ein Muss ist, um sie in den hohen Norden zu locken. Die Wahl fiel letztlich auf das Deichbrand Festival.

Quasi direkt hinter dem Nordsee-Deich zwischen Cuxhaven und Nordholz gelegen, hat sich mit diesem Format ein Festival etabliert, dass auf eine ausgewogene Mischung aus Rock, Hip Hop und elektronischer Musik setzt. Mittlerweile gehört es zum festen Repertoire der deutschen Festivallandschaft und konnte 2016 über 50.000 Menschen anziehen. So verschieden die Genres auch sind, so haben sie doch alle eins gemeinsam: Die Musik geht nach vorne. Wer nach ruhigen Klängen sucht, wird es hier schwer haben.

Diese Grundvoraussetzungen förderten natürlich entsprechende Erwartungen. Wir freuten uns auf eine komplett bunte Mischung von Ravern, über Hip-Hop Heads, bis hin zu Gothic und Hard Rock- Fans. Mit diesen Gedanken ging es für die beiden Jungs am Mittwochabend nach Lüneburg. Im Sinne der Umwelt und unserer Rücken hatten wir uns vorgenommen, so wenig an Ballast wie möglich mitzunehmen und uns weitestgehend vor Ort zu versorgen. Praktisch hieß das: Anreise mit der Bahn, kein Grill und Zubehör, kein Wegwerfgeschirr, kein billiger Pavillon. Nur ein Grundstock an Nahrung und vor allem keine Dosenbier-Stapel, welche am Ende aufgrund der Wärme weggeworfen werden. Stattdessen Bier-Einkauf vor Ort, ein Vier-Personenzelt für drei Leute, eine Plane als Vorzelt und nur ein bisschen Brot mit vegetarischem Aufstrich sowie einem kleinen Gaskocher für den Frühstückskaffee.

Nach einer kurzen Nacht in Lüneburg ging es Donnerstag gegen Mittag ab zum Deich. Die Anreise erwies sich ebenso unkompliziert wie nicht-alkoholisch. Über Hamburg-Harburg ging es mit dem Metronom („Die Bereitstellung und der Verzehr von Alkohol sind nicht erlaubt!“) nach Cuxhaven und dort mit dem Shuttle weiter zum Festivalgelände. Die Zwischenstopps nutzten wir natürlich, um mit Hopfen-Limo auf ein tolles Wochenende anzustoßen. Am Gelände stand man dann nur kurz in der Schlange für die Festivalbändchen und konnte sich schnell der Zeltplatzsuche widmen. Insgesamt ist die Anreise aus Lüneburg und das anschließende Prozedere sehr unkompliziert.

Es war für uns alle das erste Mal auf diesem Festival und eines fiel uns als Außenstehende recht schnell auf: Trotz der vielfältigen Musikstile schien das Besucherfeld doch recht harmonisch zu sein und gar nicht so divers wie erwartet. Betrachtet man das Einzugsgebiet des Deichbrands, stellt man schnell fest, dass der typische Besucher aus dem Raum zwischen westlichem Niedersachsen und nördlichem NRW kommt und zwischen 18 und 25 Jahren alt ist. Mangels Großstädte und Ballungsgebiete geht damit auch eine eher ländliche Sozialisation einher. Dies ist natürlich keine Wertung, aber aus unseren Gesprächen mit anderen Festivalbesuchern ging immer wieder hervor, wie sehr sich die Menschen hier „einig“ waren. Sie hatten denselben Humor, durchlebten ähnliche Entwicklungslinien und waren meist in Gruppen des örtlichen Sport- oder Freizeitvereins da. Insbesondere meine beiden Freunde aus dem Süden waren hin und weg. Mit Menschen aus dieser Region hatten sie in der Form zuvor noch keine Berührungspunkte.

Klassische Festivalromantik / Foto: Jan Dumkow
Klassische Festivalromantik / Foto: Jan Dumkow

Das Deichbrand an sich lässt sich am besten als „klassisches Festival“ mit einem starken Fokus auf die Musik zusammenfassen. Dort wo andere Formate, wie etwa das Summer’s Tale mit ihren Angeboten in die Breite gehen, gibt es auf dem Deichbrand so gut wie kein Rahmenprogramm. Das merkt man am relativ günstigen Ticketpreis von etwa 120€ (Summer’s Tale bis zu 179€), aber eben auch am Fehlen von Workshops, Ausstellungen, oder anderen künstlerischen Darbietungen. Außer einem Volleyballfeld und einigen Sponsorenständen, wie einem Chipshersteller mit Karaokewettbewerben, oder einem Energieversorger, der ein Gewinnspiel und freies WLAN anbietet, wird man wenig an Mitmachangeboten finden. Abseits der Bands gilt also das Motto: „Spaß ist, was ihr draus macht!“. So lassen die Festivalbesucher auch hier ihre Kreativität auf dem Campingplatz aus. Über Trinkspiele, kleine Aktionen, oder Passanten ärgern wird man hier genauso alle Formen des Zeitvertreibs finden, wie auch auf anderen Festivals.

Das Wetter spielte ebenfalls mit. Drei Tage Sonne pur und 28°C waren sogar zeitweise zu viel des Guten. Aber vor dem Hintergrund ins Wasser gefallener Festivals wie dem Hurricane, Southside und Rock am Ring kann und will man sich darüber nicht beschweren. Allerdings wirkte sich die Hitze stark auf unseren Wasservorrat aus, der täglich aufgefüllt werden musste. Dies sollte aber die einzige Herausforderung unseres „vorratsarmen“ Festivalkonzepts sein. Es gab einen kleinen Supermarkt und diverse Stände, die einen mit Nahrung und natürlich auch Getränken versorgten. Wer kein Fleisch isst, oder sogar vegan lebt, hätte jedoch seine Probleme gehabt. Zwar gab es fleischlose Alternativen, diese beschränkten sich jedoch meist auf Crêpes, Käsebrot, oder Pizza Margherita. Insgesamt ist das Ernährungsangebot doch relativ einseitig. Es gibt Burger, Pizza, Döner, Grillspieße, oder Pommes Frites. Wer auch auf einem Festival auf eine ausgewogene Ernährung nicht verzichten will, muss sich also dementsprechend selbst versorgen. Wir hatten damit allerdings kein Problem und haben uns durch die verschiedenen Fastfood Angebote durchprobiert. Besonders gut war ein Food Truck aus Hamburg, der für seine Burger ausschließlich regionales Fleisch verarbeitet und Wert auf hohe Qualität legt – lecker!

Was die Bands betrifft, war der Auftritt der Absoluten Beginner sicherlich das Highlight des gesamten Line-Ups. Nachdem es lange still um die Beginner war, steht nun endlich ein neues Album der deutschen Hip Hop- Größen auf dem Programm. Der Auftritt war Gänsehaut pur. Mit der Debut-Single „Ahnma“ als Anthem und dem Klassiker „Hammerhart“ zum Auftakt war die Stimmung ohne große Umschweife von Anfang bis Ende auf dem Siedepunkt. Daneben sorgten bekannte Größen, wie die Fantastischen 4, Paul Kalkbrenner, oder SEED für eine tolle Mischung.

Abschließend lässt sich also festhalten: Das Deichbrand hält, was es verspricht. Ein starkes Line-Up und typische Festivalstimmung. Wer sich auf dem Hurricane, Rock am Ring, oder Southside wohlfühlt, hat hier keine Anpassungsschwierigkeiten. Wer lieber auf dem Apple Tree Garden, dem Summer’s Tale, oder der Fusion den Sommer verbringt, dem wird vielleicht etwas fehlen. Ich persönlich war froh, es mir einmal gegeben zu haben. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Allerdings werde ich künftig wohl trotzdem eher etwas alternativere Festivals besuchen.

Gastautor: Jan Dumkow