Fromme bleibt!

Vom Überlebenskampf eines Kulturzentrums. Dienstag, 28. Juni 2011, 6Uhr morgens: Gemeinsames Frühstück in der Frommestraße, in friedlichem Beisammensein langsam in den Tag starten. Doch dieser Morgen soll nicht so sein wie alle anderen: Schlagartig wird die Stille von Fußgetrampel unterbrochen – und das gleich reihenweise und in voller Montur. Die anrückenden Polizisten verursachten bei den Bewohnern der Fromme 2 das Gefühl, das Gebäude solle direkt dem Erdboden gleich gemacht werden.

Völlig überrumpelt und überrascht von der unverhältnismäßigen Wahl der Mittel leisteten die Bewohner Widerstand, jedoch bahnten sich die Polizisten mit geschulter Präzision ihren Weg über das Grundstück, um es abzusperren. Keine Chance für die Bewohner. Vor allem nicht dann, wenn der Polizeisprecher eine gewaltsame Räumung in Nachhinein als „Aufnahme von Personalien“ und den Verlauf der Aktion als „absolut friedlich“ bezeichnet.

Für den Moment resigniert, setzten sich Bewohner und Sympathisanten auf die Straße und machten gemeinsam Musik. Wie konnte dieses kleine Stück Kultur so ein trauriges Ende nehmen? Was ist passiert?

Zweieinhalb Jahre sind vergangen, seitdem die Fromme-Bastion gegründet wurde. Die Gruppe hatte zum Ziel, das leer ste- hende, ungenutzte Haus in der Frommestraße 2 wieder zum Leben zu erwecken – und zwar von innen heraus. Die Initiative startete verschiedene Aktionen wie Konzerte und Lesungen. Außerdem wollten sie einen nicht-kommerziellen Treffpunkt schaffen, an dem die Menschen ungezwungen miteinander ins Gespräch kommen können. „Ziel der Fromme-Bastion war also gar nicht, das Haus zu besetzen, sondern es lediglich zwischen zu nutzen“, erklärt Bewohner Jens Markgraf.

So ging es eine ganze Weile gut, bis Immobilien-Investor und Grundstückseigentümer Jürgen Sallier im vergangenen Jahr Bebauungspläne für das Grundstück öffentlich machte. Eine aus Glas und Stahl bestehende Luxus-Wohnanlage sollte das restaurationsbedürftige Häuschen der Fromme 2 ersetzen. Sallier kam nicht dazu, dies in die Tat umzusetzen: Der Widerstand, auf den er stieß, war zu groß. Sein neuer, kleinerer Bebauungsplan befindet sich immer noch in der Entscheidungsphase. Was aber feststeht, ist, dass das Nachbarhaus, die Frommestraße 4, ebenfalls als sanierungsbedürftig erklärt wurde: Es liegt direkt an dem Senkungsgebiet, dem die Fromme 2 bereits zum Opfer fiel; die Hauswände haben sich schon mess- und sichtbar nach unten bewegt und drohen zu reißen. Sich langsam absenkende Hauswände und langfristig drohender Einsturz – nachvollziehbare Gründe für eine Sanierung, da sind sich alle Beteiligten einig.

Was aber für Angst und Widerstand unter den Betroffenen sorgt, ist die Tatsache, dass die Bewohner der Fromme 4 während der geplanten Renovierungsphase ausquartiert werden sollen. Sie befürchten starke Mietpreiserhöhungen und damit einhergehend eine Verdrängung der alternativen Szene aus der Stadt, kurz: Die Gentrifizierung auch in Lüneburg.

Und jetzt? Ein Infozelt darf noch im Park stehen, keinerlei Feuerstellen oder weitere Zelte.

Nun beginnt die Suche nach alternativen Räumen, denn das Ziel bleibt bestehen: Eine Begegnungsstätte zu schaffen für diverse soziale und kulturelle Netzwerke, die vor allem nicht- kommerziell sein sollen; „wo man sich auf ’nen Kaffee treffen kann, ohne gleich 3,50 Euro dafür zahlen zu müssen“, so Jens Markgraf.

Der Slogan auf der Homepage „Fromme bleibt!“ bezieht sich also auf viel mehr als nur auf die Straße an sich: Hier geht es um das Aufrechterhalten einer gemeinschaftlichen Lebensweise fernab von Profitinteressen und mit viel Raum für Kreativität und ungezwungenes Zusammensein.

Annika Glunz