Ein Quartett, zwei Tänzerinnen und Leuphana-Cocktails – die Eröffnung des neuen Zentralgebäudes

Gestern, am Samstag, 11. März 2017, eröffnete das neue Zentralgebäude der Leuphana – 10 Jahre nach Bekanntgabe, dass ein Bau in Planung sei. Zu den offiziellen Feierlichkeiten waren Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien eingeladen.

Viel Tamtam bei der Eröffnungsfeier / ©Bild: Patrizia Jäger

Das Licht geht aus, einzelne Scheinwerfer tauchen das Audimax in bläuliche Stimmung. Auf der rechten Seite der Bühne beginnt ein Quartett zu spielen. Drei Frauen an Streichinstrumenten, ein Mann am Klavier, zehn Finger, die auf Tasten hämmern und einen unheilvollen Ton produzieren. Während die letzten Töne des ersten Stückes verklingen, wechselt das Licht von blau zu gelb, zu rot. Eine männliche Stimme beginnt zu sprechen, die Bühne ist leer, die Gäste blicken sich suchend im Saal um, bis sie den Studenten im Publikum, der von einem Spot angestrahlt wird, entdecken. Feierlich liest er vom Papier ab. Es sind Gedanken zum Denken, zum Lernen, zum Leben. Dann wechselt der Spot. Ein weiterer Student spricht, dann eine Studentin und so weiter.

Als das Licht von rot auf gelb wechselt, betritt Sascha Spoun, Präsident der Uni Lüneburg, die Bühne. Er beginnt die Gäste zu begrüßen. Viele nennt er namentlich. So viele, dass allein seine Begrüßung mehrere Minuten zu dauern scheint. Das letzte Willkommen widmet er dem Architekten des Gebäudes, das heute eröffnet werden soll – „Daniel Libeskind, we are very happy sät you are here.“

Das Audimax füllt sich kurz vor Beginn der Feierlichkeiten / ©Bild: Patrizia Jäger

Nennen wir es doch Leuphi

Etwa eine Stunde vorher, gegen 10 Uhr, versammeln sich die ersten Gäste auf dem roten Teppich vor dem Eingang des Libeskind-Baus. Männer mit Sakkos und Frauen in hohen Schuhen betreten zum ersten Mal das neue Zentralgebäude der Leuphana. Der Eingangsbereich ist imposant – hohe Decken, hohe Wände, schiefe Linien. Es ist kaum zu glauben, dass dies das Gebäude einer staatlichen Universität sein soll.

Ähnliche Eindrücke bekommt man beim Betreten des Auditorium Maximum – das Herz des Gebäudes, kurz „Audimax“ genannt. Der riesige Saal hat keine Fenster, dafür aber indirekte Beleuchtung an den Wänden in Form von geraden Linien, die sich schräg und in verschiedensten Winkeln über die Wände verteilen. Die 1.100 Sitze sind weinrot gepolstert, die Decken voller Scheinwerfer. Ein bisschen erinnert dieser Saal an ein sehr modernes Kino. Nur ohne Getränkehalter an den Sitzen – schade eigentlich.

„Nennen wir es doch Leuphi“, hatte Stephan Weil, Ministerpräsident Niedersachsens, in der vorherigen Pressekonferenz nur halb scherzhaft vorgeschlagen. Es gäbe ja schließlich Parallelen zur Elphi. Nicht nur optisch. Auch wegen der Kritik, die beide Gebäude ertragen mussten. Viel zu teuer sei alles. Und zu lange gedauert hätte es auch. Und schön sei ja auch anders. Sagt man. In der Tat – hier gibt es Ähnlichkeiten.

Überschwängliche Loblieder – außer vom Asta

Auch die Organisation Lernfabriken meutern hatte sich zu Beginn des Tages klar positioniert. Sämtliche Gäste, die über den Campus zum Zentralgebäude gelangten, sahen es schon von weitem. Ein großes, gelbes Banner wurde über dem Weg aufgehängt. Es war einem Ortsschild nachempfunden und zeigte den Besuchern das Betreten von „Korruption & Prestige“ an. „Gute Bildung für alle“, darunter, war durchgestrichen.

Seit Bekanntwerden des Bauvorhabens kritisiert ebenso der AStA das Projekt. Vor allem die hohen Kosten und die Tatsache, dass für das Gebäude niemand geringerer als Star-Architekt Daniel Libeskind engagiert werden musste, der schon vorher mit Keller und Spoun geschäftlich korrespondiert haben soll, ist vielen Menschen ein Dorn im Auge.

Und so kam es, dass die beiden AStA-Sprecher*innen Susanna Dedring (die peinlicheweise auf dem Programm-Papier in „Susanne“ umgetauft wurde) und Benjamin Christodoulou diese Probleme auch bei ihrer Rede thematisierten. Dass man den beiden überhaupt die Möglichkeit gegeben hatten auf der Eröffnungsfeier zu sprechen, überrasche sie allerdings positiv. Bei der Planung des Zentralgebäudes hatte man schließlich auf den AStA – die Vertretung aller Student*innen – verzichtet.

Die Kritik des Allgemeinen Student*innenausschusses sollte jedoch die einzige an diesem Tag bleiben. Von der Zuhörerschaft, die überwiegend aus Frauen und Männern zwischen 50 und 90 bestand, gab es dafür nur mäßig motivierten Applaus – anders als für die anderen Redner.

Wie ein Pfeil, der in die Zukunft zeigt

Sascha Spoun und Stephan Weil / ©Bild: Patrizia Jäger

Nacheinander lobten Stephan Weil, Gabriele Heinen-Kljajic (Ministerin für Wissenschaft und Kultur), Ulf Wuggenig (Dekan der Fakultät Kulturwissenschaften), Holm Keller (ehem. Vizepräsident der Leuphana) und Ulrich Mädge (Oberbürgermeister von Lüneburg) den Libeskind-Bau, der eine „architektonische Intervention gegen das Kasernen-Erscheinungsbild“ sei. Dabei nahmen fast alle Redner Bezug auf die Geschichte der Leuphana-Bauten, die im Zweiten Weltkrieg als Nazi-Kaserne fungierten. Die militärisch-stringente Anordnung der Backstein-Gebäude soll nun durch das Chaos von „Leuphi“ unterbrochen werden. Oder in Spouns Worten: „Das Zentralgebäude ist wie ein Pfeil, der über die Kasernengebäude und ihre Vergangenheit, und in Richtung Zukunft hinweg zeigt.“
Die Symbolik dahinter soll sowohl erinnernd, als auch nach vorne blickend sein. Die Leuphana, soll ausgedrückt werden, ist mehr als nur eine alte Kaserne. Die Leuphana hat Charakter. Und gleichzeitig nun eben auch ein bisschen Prestige.

Der Architekt selbst hingegen nahm kaum Bezug zur Nazi-Vergangenheit des Uni-Geländes. Stattdessen betonte Libeskind, dass Bildung und Wissenschaft es Wert seien, dass man in sie investiere. Und dass Leuphi nicht nur sein Werk, sondern eben auch das Werk der vielen Student*innen sei, die in den verschiedenen Seminaren daran mitgearbeitet hatten. Eingeladen wurden sie zu der Eröffnung trotzdem nicht.

Ist das noch Uni?

Flex Ensemble Piano Quartett / ©Bild: Patrizia Jäger

Zwischen den Reden spielt das Quartett bei blauem Licht. Es wurde begleitet von Filmen über das Zentralgebäude und während eines Stücks springen zwei in weiß gekleidete Tänzerinnen auf der Bühne und zwischen den Musiker*innen herum. Pathos liegt in der Luft. Das Audimax könnte ebenso gut ein Theatersaal sein – und so ist es auch geplant. Das gesamte Zentralgebäude soll nämlich ganzjährig für verschiedene externe Veranstaltungen genutzt werden, die Sesselreihen lassen sich sogar in Gänze einklappen und ans Ende des Saals schieben. Dabei vergaß man zeitweise offenbar, dass das Audimax ursprünglich mal als Hörsaal fungieren sollte – auf kleine Ausklapptische wollte man zunächst nämlich ganz verzichten, dann fand man einen Kompromiss in Form einer Ablage, die sich aus der jeweils rechten Seite des Sessels ziehen lässt. Diese Ablage ist ein wenig breiter als ein Oberschenkel, zu klein, als dass ein Laptop darauf passen würde und zu weit rechts, als dass ein Linkshänder darauf schreiben könnte. Nun ja.

Ähnlich unpraktisch sind die Räumlichkeiten des Libeskind-Baus. Die vielen Schrägen geben ihnen zwar einen besonderen Charme, bieten jedoch wenig Möglichkeiten für das Aufstellen von Schränken oder Regalen. Besonders in Hinblick auf die seit Jahren bestehende Raumknappheit für die Arbeit der Initiativen und anderer Vereine der Studierendenschaft, ist das Zentralgebäude keine Verbesserung – wenn nicht gar eine Verschlechterung, schließlich werden die Außenstellen am Roten Feld und Volgershall geschlossen. Hinzu kommt, dass viele Räume nur ein Fenster haben – zu wenig für den Büroalltag.

Nach zweieinhalb Stunden und mit einem letzten Stück des Quartetts endet die Eröffnungsveranstaltung schließlich. Im Eingangsbereich warten braun-gelbe Eintöpfe und pinke Leuphana-Drinks – Cocktails aus verschiedenen Säften, alkohol- und witzlos.
Der ein oder andere ließ seinen Blick noch einmal über die Schrägen des hellen Foyers gleiten und dachte sich vielleicht: Ja, Leuphi kann was. Aber kann es auch Uni-Alltag?

Autorin: Kim Torster

Korrektur: Das gelbe Banner stammt von der Organisation Lernfabriken meutern – nicht wie ursprünglich behauptet vom AStA. Wir haben den Fehler im Text bereits berichtigt und bitten ihn zu entschuldigen.


Daten und Fakten zum neuen Zentralgebäude der Leuphana

Dimensionen
Das achtgeschossige Zentralgebäude hat eine Gesamtnutzfläche von 13.000 Quadratmetern. Es erreicht eine maximale Höhe von 37 Metern. Die Grundfläche beträgt 4.700 Quadratmeter und das Volumen des umbauten Raumes 110.000 Kubikmeter. Die Flächen für Forschung nehmen rund die Hälfte des zur Verfügung stehenden Platzes ein. 2.800 Quadratmeter Fläche sind für ein Studierendenzentrum vorgesehen, 2.600 Quadratmeter für ein Seminarzentrum. Ein neues Veranstaltungszentrum bietet Platz für bis zu 2.500 Besucher, davon 1.100 im neuen Auditorium Maximum.

Materialien
Das Gebäude ist im Wesentlichen in Stahlbeton, teilweise in Stahlbeton-Verbundbauweise errichtet. Für den Bau wurden 14.000 Kubikmeter Beton und 2.750 t Stahl verwendet. Die Fassadenverkleidung besteht aus Titanzinkblech, große Teile der Dachflächen werden begrünt. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie werden innovative Produkte eingesetzt, u.a. eine schaltbare Verglasung, Phase Change Materials und innovative, intelligente haustechnische Systeme, die den Nutzer einbeziehen wollen.

Finanzierung
Das Gebäude wird gemeinsam finanziert von Europäischer Union, Bundeswirtschaftsministerium, Land Niedersachsen, Hansestadt und Landkreis Lüneburg, katholischer und evangelischer Kirche, Jüdischen Gemeinden, Klosterkammer Hannover und Stiftung Universität Lüneburg.

Quelle: Zühlsdorff, Pressesprecher der Leuphana

Kim Torster

Kim hat Kuwi studiert und war Chefredakteurin bei Univativ. Heute arbeitet sie nicht als Taxifahrerin, sondern als Journalistin. Glück gehabt.

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