Da staubte und rockte der Deich

Ein Rückblick auf das 14. Deichbrand Festival 2018 bei Cuxhaven – fast am Meer, dennoch trocken und staubig. Unser Review.

Der Seeflughafen Cuxhaven und Umgebung bebte vom 19 bis 22. Juli, als dort das jährliche Deichbrand Festival stattfand. Künstler*innen wie Die Toten Hosen, The Killers, Casper, Wolfmother, Clueso, Alligatoah, Mando Diao, Bosse, Amy MacDonald und The Hives heizten die rund 55.000 Besucher*innen ordentlich ein. Insgesamt 100 Acts traten von Donnerstag bis Sonntag auf drei größeren Bühnen und einer kleinen Elektrobühne auf. Obwohl offiziell angekündigt als ausverkauft, hatten Festivalfans selbst noch am Sonntag als letzten Tag die Möglichkeit, Tickets zu kaufen.

Das Deichbrand Festival in Cuxhaven – (c) Christopher Bohlens

 

Sand und kühle Luft

Die Auswirkungen der Trockenheit, die Deutschland derzeit fest im Griff hält, bekamen auch die Festivalbesucher*innen auf dem Deichbrand zu spüren – der Boden staubte ungemein. Die Menschen und der Wind wirbelten den Staub auf, sodass er sich überall niederlegte und auch die Camping-Plätze und die Autos auf den Parkpläten mit einer Staubschicht belegte. Insbesondere während der Konzerte trugen viele Besucher*innen und Mitarbeiter*innen Masken, um möglichst wenig Staub einzuatmen. Die Veranstalter*innen reagierten mit Traktoren, deren Anhänger Wasser auf den Flächen verteilten. Außerdem war es verboten, Brandbeschleuniger zum Grillen zu verwenden. Der Oberamtsbrandinspektor zeigte sich zufrieden, dass die Feuerwehr zu keinen nennenswerten Einsätzen ausrücken musste und man im Vorwege viele Flächen sehr kurz gemäht hatte, um Flächenbrände zu vermeiden.

Große Bühne beim Deichbrand – Foto: Christopher Bohlens

 

Im Gegensatz zu manchem anderen Festival war das Wetter auf dem Deichbrand traumhaft – nicht zu heiß, von Regen keine Spur. Gerade durch die Nähe zur Nordseeküste war die Temperaturdifferenz zwischen Inland und Küste spürbar. Während die Leute in Hamburg bei 29 Grad schwitzten, konnten die Festivalgäste in Cuxhaven bei entspannten 23 Grad das Wetter genießen.

Staub, Staub, Staub Überall- Foto: Christopher Bohlens

 

Voll oder nicht voll

60 000 Menschen, darunter bis zu 55 000 Besucher*innen sowie 5 000 Mitarbeiter*innen, haben sich auf dem Festivalgelände gut verteilt. So war das Innenfeld auf dem Konzertgelände sehr weitläufig und durch mehrere Wellenbrecher gut aufgeteilt. Neben den zwei großen Bühnen, von denen jedoch nur jeweils eine zur Zeit bespielt wurde, bot das Gelände noch ein Zelt für 5500 Menschen, in dem auch parallel und bis tief in die Nacht gespielt wurde. Etwas außerhalb lag außerdem die „Electric Island“. Die Headliner lockten viele Menschen zeitgleich auf das Gelände – ansonsten war es es eher entspannt, ein großes Gedränge blieb aus. Das Sicherheitspersonal sorgte für eine gute Verteilung der Menschenmassen.

Fans von Clueso – Foto: Christopher Bohlens

 

Kannste auch vor Ort kaufen

Das Deichbrand zeigt: Wer heute zum Festival geht, muss nicht unbedingt alles im Auto mitnehmen oder gar die Camping-Ausrüstung bereit haben. Der Discounter ALDI war auf den Deichbrand mit einem 2.100 qm großen Markt vertreten, der neben der Camping-Ausrüstung inklusive Festival-Hüten auch Lebensmittel und Getränke zu erschwinglichen Preisen anbot. Insbesondere der begehbare Kühlschrank für Getränke sorgte für eine große Auswahl für die Besucher. Wer noch andere Pläne für das Deichbrand hatte, als nur Musik zu hören, musste für die nötige Sicherheit vorzeitig vorsorgen – Stichwort Kondome: Ein BILLY BOY Promotion Stand war auf dem Festivalgelände zwar zu finden, allerdings schloss dieser bereits am frühen Abend. Und auch der Drogeriemarkt Rossmann, der ebenfalls auf dem Gelände vertreten war, machte bereits um 20 Uhr zu. Der Aldimarkt hatte zwar länger auf, allerdings wurden dort keine Kondome angeboten. Es war also ratsam, bereits am Nachmittag vorzusorgen.

Der ALDI Markt mit Festival-Zubehör – Foto: Christopher Bohlens

 

ALDI Markt mit Tiefkühlangebot- Foto: Christopher Bohlens

 

Der begehbare Kühlschrank im ALDI – Foto: Christopher Bohlens

 

Körperkontakt – Ja gerne!

Für eine norddeutsche Gelassenheit sprach auch die Haltung des Sicherheitspersonals. Es gab relativ viel Sicherheitspersonal an jeder Ecke und die meisten konnten auch eine fachlich korrekte Auskunft geben. Die Personenkontrollen an den Eingängen zum Konzertgelände waren eher mäßig – das dürfte auch erkären, dass reichlich Dosen das Innenfeld säumten, obwohl Dosen und Co. nicht mitgebracht werden durften. Personenkontrollen durch das gleiche Geschlecht sind am Flughafen ein Muss. Beim Deichbrand wurde das etwas lockerer aufgefasst. Auch ein Sicherheitsmann durfte eine weibliche Besucherin kontrollieren. Die Polizei war auch mit nicht wenig Personal vor Ort, insbesondere die Campingplätze wurden regelmäßig mit Fahrzeugen abgefahren, um die Partys nicht aus dem Ruder laufen zu lassen.

Bauernhof direkt am Deichbrand – Zeit für Entspannung – Foto: Christopher Bohlens

 

Die Zwerge sind unterwegs – Foto: Christopher Bohlens

 

Wo schläfst du heute Nacht?

Einfach mal vom Alltag abschalten, lautete das Motto der Besucher*innen. Die Stimmung war durchaus entspannt, alles hatte Lust auf Party und Musik. Es gab ein unterschiedliches Angebot an Unterkunftsmöglichkeiten, von dem Standard Camping-Platz, auf dem man selber sein Zelt aufbaut, bis hin zum „Comfort Village“ mit fertigen Tipi, Holzhütte oder Iglu. Eine Zone für Wohnmobile oder ein „Special Needs Camp“ für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen war vorhanden. Insgesamt gab es auch für Rollstuhlfahrer besondere Tribünen, damit diese auch einen guten Blick zur Bühne haben.

Abends bei Caspar – Foto: Christopher Bohlens

 

Da weint das Leuphana-Herz und der Pfandsammler fehlt

Das Projekt Viva con Agua sammelte, wie auch auf anderen Festivals auch, das entsprechende Pfand ein, dessen Erlös in gute und soziale Projekte zur sauberen Trinkwasserversorgung fließt. Die Situation auf den Camping-Plätzen war jedoch hinsichtlich Sauberkeit eine Katastrophe, viele Besucher hinterließen ihren Müll einfach auf dem Boden. Ein Müll-Beutel-Pfand-System sollte dagegen wirken: Jede*r Besucher*in erhielt beim „Einchecken“ einen Müllsack – wer ihn am Ende gefüllt abgab, erhielt zehn Euro Pfand wieder. Zwischendurch bestand aber wenig Bedarf nach aufräumen. Pfandsammler hätten reich werden können bei den zahlreichen Bergen von Pfandflaschen und Dosen. Allerdings waren nur wenige in Reichweite, was vermutlich an dem Verbot lag, Pfand sammeln zu dürfen.

Vorplatz beim Deichbrand- Foto: Christopher Bohlens

 

Kameramann von RTL verlor seine Kamera, ging mit Ersatz eifrig seinem Job nach – Foto: Christopher Bohlens
Kannste Nageln beim Deichbrand – Foto: Christopher Bohlens

 

Für die Region und darüber hinaus

Anwohner*innen und Landwirte des Ortes Wanhöden (Gemeinde Wurster Nordseeküste) in der Nähe des Festivalgeländes in der Nähe erkannten das entsprechende Marktpotenzials und bauten entsprechende Buden und Stände für Essen und Getränke. Insbesondere auf Bauernhöfen wurden auch Camping- oder Hygienemöglichkeiten aufgebaut. Aber auch bei dem Festival waren Unternehmen nicht untätig ihre Botschaft zu präsentieren wie etwa ALDI, BILLY BOY, Coca Cola, EWE, Jägermeister, ÖVB Versicherungen oder die Stadt Cuxhaven mit ihrem Leuchtturm-Promo-Mobil, um für Urlaub in der Region zu werben. Um den größten Festival-Betreiber in Deutschland, der Firma FKP Scorpio aus Hamburg, führt auch kein Weg am Deichbrand vorbei – dieser ist prozentual an dem Veranstalter beteiligt.

Einige bringen gleich ihre eigene Badewanne mit – Foto: Christopher Bohlens

 

Und die Musik so?

Genre Pop, Rock, Alternative, Metal, Punk, Hip-Hop und Elektro fasst generell das gesamte Portfolio zusammen. Einige Bands wie Kettcar haben eine längere Pause hinter sich und sind nun wieder auf den Bühnen vertreten. Freitagabend rockte Caspar die Bühne, zuvor heizte Clueso schon die Leute richtig ein. Eine der besten Bühnen Shows hatten die 257ers.

Amy McDonald beim Deichbrand – Foto: Christopher Bohlens
Caspar rockt Freitag Abends die Bühne – Foto: Christopher Bohlens

 

Drumherum?

Die App zum Festival war ganz praktisch, sie enthielt neben dem Zeitplan auch Informationen zu den Bands und eine Vernetzung mit Deezer war möglich. Darüber hinaus gab es eine Karte mit Lokalisierungsfunktion und Vernetzungsfunktion zu Facebook, Instagram und Twitter. Viele der Besucher*innen sind am Mittwoch angereist, um den Donnerstag zu entlasten, dennoch kam es am Donnerstag zu erheblichen Staus. Entsprechende Prognosen wurden von dem Veranstalter bereitgestellt zu dem Verkehr. Ein Pendelbus verkehrte zwischen Bahnhof und Gelände.

Ok Kid heizt ein – Foto: Christopher Bohlens

 

Kompetentes Reinigungspersonal – Foto: Christopher Bohlens

 

Viva con Agua – Foto: Christopher Bohlens

 

Verhungern unmöglich – Foto: Christopher Bohlens

 

Warum sollte ich hingehen?

Das Deichbrand kennzeichnet sich durch eine gewisse norddeutsche Gelassenheit aus. Es rückt von den Besucherzahlen her immer näher an das Hurricane Festival heran und steht dabei für weniger Stress bei den Künstler*innen, da diese nicht zwischen Hurricane und Southside pendeln müssen. Platz zur Erweiterung am Seeflughaven Cuxhaven ist vorhanden, lediglich die Verkehrsinfrastruktur ist der Flaschenhals. Die Menschen im Ort kennen nun den Wacken-Effekt, der bei der Dorfbevölkerung für Umsätze und neue Geschäftsmodelle sorgt. Es gibt viele Parallelen zum Hurricane Festival, wie etwa die eigene App, Konzept und Merchandising, was auch maßgeblich am Mitbetreiber FKP Scorpio liegt. Insgesamt können Festivalfans sowohl bekannte Bands als auch Newscomer erleben. Das Fazit: wer ein Wochenende voller guter Konzerte, viel Spaß und wenig Sorgen plant,  der ist beim Deichbrand genau richtig. Ausblenden sollte man jedoch temporär den Gedanken an Nachhaltigkeit hinsichtlich des vielen Mülls während des Festivals.

Wer Lust und Zeit hat kann einige Konzert-Mitschnitte bei arte:concert noch wenige Tage sehen.

Abends beim Deichbrand – Foto: Christopher Bohlens

 

 


Transparenz: Der Autor war für einige Stunden auf dem Festival, der Eintritt erfolgte kostenfrei durch den Veranstalter.

Christopher Bohlens

Schreibt immer irgendwas über Hochschule, Politik oder Veranstaltungen, wo es so richtig kracht. Liebt investigativen Journalismus und beschäftigt sich viel mit Daten.

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